Iris Spranger im Interview

Was tut die Stadt Berlin gegen den angespannten Wohnungsmarkt?

Rund 40.000 neue Einwohner bekommt Berlin jährlich. Sie alle suchen Wohnraum – und davon gibt es nicht genug. Die Folge: In der Hauptstadt sind die Mieten in den vergangenen zehn Jahren im Durchschnitt um knapp 76 Prozent gestiegen – von 5,59 auf 9,86 Euro. Aber was plant die Regierung, um den Druck aus dem angespannten Wohnungsmarkt zu nehmen? Darüber haben wir mit Iris Spranger, bau- und wohnungspolitische Sprecherin der SPD-Fraktion im Abgeordnetenhaus, gesprochen.

Interview mit Iris Spranger

Frau Spranger, wie viele neue Mietwohnungen werden in Berlin bis 2021 insgesamt erwartet? Und wie viele Wohnungen fallen davon in den sozialen Wohnungsbau?

Iris Spranger: Unser Ziel ist die Realisierung von mindestens 20.000 neuen Wohneinheiten pro Jahr in Berlin. Davon sollen die sechs landeseigenen Wohnungsunternehmen mindestens 6.000 Wohneinheiten pro Jahr realisieren, ein Großteil davon sollen Sozialwohnungen sein. Der Wohnungsbestand der landeseigenen Unternehmen soll durch Neubau und Zukauf von rund 300.000 Wohneinheiten in 2016 auf rund 400.000 Wohneinheiten im Jahr 2025 anwachsen.

Welchem erwarteten Bedarf an neuen Mietwohnungen steht diese Zahl gegenüber? Erwarten Sie, dass Berlin auch in den kommenden Jahren weiterwächst?

Iris Spranger: Wir gehen davon aus, dass das Wachstum in Berlin und der Zuzug in die Hauptstadt noch einige Zeit anhalten werden. Seit 2012 ziehen jährlich rund 40.000 neue Bürgerinnen und Bürger auf Dauer in unsere Stadt. Glücklicherweise ist in den letzten Jahren die Zahl der Arbeitsplätze, auch die der sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungen, stark angestiegen. Eine große politische Herausforderung ist nun, ein ausreichendes Angebot an bezahlbaren Wohnungen bereit zu stellen.

In den letzten zehn Jahren sind die Mieten in Berlin um knapp 76 Prozent gestiegen. Selbst die zweitplatzierte Stadt München hat „nur“ 53 Prozent zu verzeichnen. Auch Normalverdiener, die keinen Anspruch auf Wohngeld oder einen Wohnberechtigungsschein haben, beklagen zunehmend, keinen bezahlbaren Wohnraum mehr zu finden. Mit welchen Maßnahmen wollen Sie hier Abhilfe zu schaffen?

Iris Spranger: Zur Daseinsvorsorge gehört für uns eine genügende Anzahl guter und bezahlbarer Wohnungen. Wohnungen dürfen nicht dem freien Spiel der Marktkräfte ausgesetzt werden, gleichwohl es ein „Marktgeschehen“ im Wohnungssektor gibt. Insofern ist staatliche Regulierung sinnvoll und notwendig. Der wirksamste Mieterschutz ist vor dem aktuellen Hintergrund der Wohnungsneubau, den wir massiv vorantreiben. Um angesichts der angespannten Wohnungslage weitere, notwendige Verbesserungen insbesondere hinsichtlich Mietenbegrenzung und Mieterschutz zu erreichen, haben wir in den vergangenen Jahren bereits viele Aktivitäten unternommen.

Interview mit Iris Spranger

Iris Spranger, baupolitische Sprecherin der SPD im Abgeordnetenhaus

Dazu gehört der Abschluss von Kooperationsverträgen mit den städtischen Wohnungsbaugesellschaften. 60 Prozent aller freiwerdenden Wohnungen werden demnach an Berechtigte des sozialen Wohnungsbaus vergeben, darunter 25 Prozent an Berechtigte mit besonderem Wohnbedarf. Von den Neubauwohnungen werden 50 Prozent an Berechtigte vermietet. Der Mietanstieg wurde auf zwei Prozent jährlich begrenzt, die Modernisierungsumlage von elf auf sechs Prozent gesenkt. Die Mietbelastung darf 30 Prozent des Haushaltseinkommens nicht übersteigen. Wir haben die Wohnungsbauförderung wiedereingeführt und bei der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung eine Wohnungsbauleitstelle eingerichtet. Weitere Maßnahmen waren die Umsteuerung der Berliner Liegenschaftspolitik vor allem zur Erleichterung und Beschleunigung des Wohnungsbaus und die Einführung des Kooperativen Baulandmodells. Es ist in zahlreichen Städten seit längerem gängige Praxis und sichert neben freifinanzierten auch bezahlbare Wohnungen für niedrige Einkommen. 2017 wurde die Quote von 25 Prozent der Wohnungen auf 30 Prozent der Wohnfläche angehoben.

Plant die Stadt, in den kommenden Jahren vermehrt von ihrem Vorkaufsrecht Gebrauch zu machen und so Stabilität am Mietmarkt zu schaffen und Spekulationen entgegen zu wirken?

Iris Spranger: Wir haben bereits im Jahr 2017 und bis zum Sommer 2018 vermehrt von dem Instrument des Vorkaufsrechtes in Milieuschutzgebieten Gebrauch gemacht und werden diesen Trend fortsetzen, da es ein geeignetes Mittel zur Vermeidung von Spekulation am Wohnungsmarkt und zum Mieterschutz darstellt. Parallel dazu verstärken wir die Bemühungen für den Abschluss von so genannten Abwendungsvereinbarungen, um Verdrängung und überhöhte Mietensteigerungen zu vermeiden.

Welche zusätzlichen Maßnahmen sind geplant, um weiter steigende Mieten zu verhindern?

Iris Spranger: Die landesrechtlichen Möglichkeiten zur Begrenzung von Mieten und für einen besseren Mieterschutz haben wir weitgehend ausgeschöpft, unter anderem durch die Anwendung des qualifizierten Mietspiegels, den zehnjährigen Kündigungsschutz bei Umwandlung von Miet- in Eigentumswohnungen, die Ausweisung von Milieuschutzgebieten und die Festlegung, dass es sich in ganz Berlin um ein Gebiet handelt, in dem die ausreichende Versorgung der Bevölkerung mit Wohnraum gefährdet ist. Sehr viel weitergehende Schutzmaßnahmen haben wir bereits mit den landeseigenen Wohnungsunternehmen vereinbart. Da die meisten mietenrelevanten Regelungen Bundesrecht betreffen, haben wir 2017 eine Bundesratsinitiative zur weiteren Mietenbegrenzung und für einen besseren Mieterschutz beschlossen. Darin fordern wir eine Nachbesserung der Mietpreisbremse, unter anderem mit Info-Pflicht für Vermieterinnen und Vermieter, und eine Mieterhöhung im nicht preisgebundenen Wohnungsbau um maximal 15 Prozent in fünf Jahren. Auch sprechen wir uns für eine Begrenzung der Modernisierungsumlage auf maximal sechs Prozent pro Jahr aus und fordern, dass der Mietspiegel unter Berücksichtigung von Bestandsmieten der letzten zehn Jahre statt wie bisher vier Jahre erstellt wird.

Seit 2016 gilt in Berlin das verschärfte Zweckentfremdungsverbot. Ist das auf dem Mietmarkt spürbar? Stehen nun Wohnungen zur Verfügung, die vorher ausschließlich an Touristen vermietet wurden?

Iris Spranger: Angesichts der extrem angespannten Lage auf dem Wohnungsmarkt in Berlin haben wir das Zweckentfremdungsverbot-Gesetz mit dem Ziel novelliert, Wohnraum, der für dauerhaftes Wohnen geeignet ist, besser zu schützen. Zwar liegen noch keine statistischen Zahlen vor, jedoch lässt sich schon jetzt feststellen, dass diese gesetzliche Neuregelung Wirkung zeigt. Hierbei ist die Reglementierung von Ferienwohnungen nur ein Baustein. Auch der Abriss von bestehendem Wohnraum ist nun deutlich erschwert worden, zudem ist in einem solchen Fall die Schaffung von Ersatzwohnraum vorgesehen, die notfalls auch durch einen Treuhänder umgesetzt werden kann.

Viele Mieter in Berlin wünschen sich ein sicheres Mietverhältnis, in dem sie keine Angst haben müssen vor Verdrängung oder ständigen Mieterhöhungen, aber viele wünschen sich auch mehr Partizipation – ein aktiveres Mitgestalten ihres Wohnumfeldes. Gleichzeitig werden wir immer mobiler. Wer berufsbedingt alle paar Jahre umziehen muss, für den ist eine eigene Immobilie auch dann nicht interessant, wenn er sie sich leisten könnte. Was sind die Wohnmodelle der Zukunft? In welche Strukturen sollten Senat, aber auch Bunderegierung investieren?

Iris Spranger: Unsere wohnungspolitischen Ziele sehen einen Mix unterschiedlicher Wohnformen und Wohntypen vor. Noch über lange Zeit wird Berlin, begründet aus der besonderen Geschichte, eine Mieterstadt bleiben. Das bedeutet, dass es auch künftig eine ausreichende Anzahl an bezahlbaren Mietwohnungen geben muss. Dazu gehören Mietwohnungen bei den landeseigenen Wohnungsunternehmen, bei Genossenschaften und bei weiteren privaten Vermietern. Wir unterstützen die Realisierung von generationsübergreifenden Wohnformen und von weiteren innovativen Wohnungstypen und halten auch die weitere planerische Bereitstellung von Flächen für die Schaffung von Wohneigentum für eine notwendige Entwicklung in der Berliner Wohnungspolitik.

Interview vom 24. August 2018

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