30 Jahre Wiedervereinigung
Bei der Wiedervereinigung war die Begegnung von Menschen aus der BRD und DDR immer auch ein Aufeinanderprallen zweier Wohnwelten. In unserem Longread schauen wir zurück: Wieviele Wohnungen hätte man aus der Berliner Mauer bauen können? Was waren die Einrichtungstrends 1990? In welchem Bundesland gibt es den meisten Altbau?
Veröffentlicht am 3. Oktober 2020
1. Wohnraum statt Mauer
Aus 1,7 Millionen Tonnen Berliner Mauerschutt könnte man viele Wohnungen bauen.
2. Wohntrends 1989
Japan-Hype und schnelle Küche – In Ost und West gab es viele geschmackliche Gemeinsamkeiten.
3. Hier sind freie Altbau-Wohnungen
In welchem Bundesland hat man die größten Chancen bei der Suche?
Illustration auf Grundlage eines Mauer-Graffitis von Thierry Noir.
Anfang der 1960er Jahre gab es in Berlin zu wenig Wohnraum. Im Ost-Teil war die Fertigstellungsrate höher als im Westteil der Stadt. Das lag auch am Einsatz einer normierten Montagebauweise – dem Vorläufer des sogenannten Plattenbaus. Auch die Berliner Mauer war in dieser Bauweise konstruiert. Sie war rund 155 Kilometer lang. Wieviel Wohnraum hätte man mit ihr schaffen können?
Wertvolles Souvenir
Preisanstieg für ein authentisches Mauersegment in den vergangenen 8 Jahren:
200 Prozent
Der Fall der Berliner Mauer am 9. November 1989 war ein Ereignis von weltpolitischer Bedeutung von dem die Berliner sich sofort historische Souvenirs in Form abgeklopfter Mauerbrocken mitnehmen konnten.
Wer als „Mauerspecht“ im großen Stil eingestiegen ist, kann sich freuen. Die Preise steigen: 2011 berichtete die Wochenzeitung ZEIT über ein 2,5 Tonnen schweres Mauersegment, das bei eBay für 4.500 Euro angeboten wurde. Inzwischen kosten Stücke dieser Größe im Online Handel schon mal 11.500 Euro – also fast das Dreifache.
Eine Menge Bauschutt
Wo die Berliner Mauer verbaut wurde:
CIA-Zentrale, Bundesstraße und Mistgruben.
Die Berliner Mauer ging nach dem 9. November viele Wege: 50 Mauersegmente stehen beispielsweise in den Vereinigten Staaten. Verbaut wurde der Beton außerdem in der 1991 neu eröffneten CIA-Hauptzentrale in Virginia. Auch in Deutschland gab es Recycling als Baumaterial: 300.000 Tonnen Mauerbeton wurden zu Straßenbelag. Auch in Futtersilos und Mistgruben fand die Grenzanlage eine neuen Verwendung.
Material für Zehntausende Wohnungen
Menge an Plattenbau-Wohnungen, die man aus der Berliner Mauer hätte bauen können: 57.0000 Einheiten
Insgesamt ergab die Berliner Mauer 1,7 Millionen Tonnen Bauschutt. Diese Menge entspricht dem Beton für 57.000 Standardausführungen einer 3-Zimmer-Wohnung im Plattenbau WBS 70 – dem meistverbreiteten Typ in der DDR. Rund 140.000 WBS 70-Wohnungen gibt es in Berlin, so die Wohnungsbaugesellschaft Berlin-Mitte. Man hätte also 40 Prozent dieser Berliner Wohnungen mit dem Beton der Mauer bauen können.
Doch die Einsicht kommt spät. Zum einen sind diese Plattenbauten nicht mehr sonderlich populär. Außerdem müsste man für die erforderliche 30 Tonnen Betonnage für eine 3-Zimmer-Wohnunginl 123.000 Euro hinblättern – wenn es denn nut Material sein soll, dass in der Berliner Mauer verbaut wurde. Und das Grundstück ist da noch nicht dabei.
Dies ist Teil unseres Schwerpunkthema zum 30. Jahrestag der Wiedervereinigung.
Hohe Decken, Stuck, Parkettoden: Altbau-Wohnungen sind sehr beliebt. Ostdeutschland gilt als Altbau-Paradies. In unserer Deutschlandkarte zeigen wir, wo der Anteil verfügbarer Altbau-Wohnungen am höchsten ist.
Altbau-Wohnungen erfreuen sich einer hohen Beliebtheit. Doch sie stehen nur begrenzt zur Verfügung. Das macht die Suche schwierig. Wir haben untersucht, wie hoch der Anteil an Altbauten unter den angebotenen Mietwohnungen ist.
Tatsächlich scheint das Klischee zu stimmen: Ostdeutschland ist ein Altbau-Paradies. Zumindest bestätigt das die Sichtung aller Wohnungsinserate bei ImmoScout24 im ersten Halbjahr 2020.
Herausstechend ist das Angebot in Sachsen, wo fast die Hälfte aller verfügbaren Wohnungen Altbau waren. Doch auch Sachsen-Anhalt und Thüringen haben viel zu bieten für Altbau-Fans.
Doch was bedeutet "Altbau" eigentlich? Bei der Erhebung haben wir uns an die Definition des Fachinformationsdienstes Baunetz gehalten. Demnach ist die Verwendung von Mauerwerkswänden, Holzbalkendecken und Kastenfenstern die typische Bauweise eines Altbaus. Dessen Ende wird in Deutschland auf das Jahr 1949 datiert. Beim erhöhten Bauaufkommen der Wirtschaftswunderjahre wurde in Ost und West vorrangig mit Beton gebaut. Rund 22 Prozent der deutschen Wohnungen sind als Altbau zu qualifizieren, so das Institut Wohnen und Umwelt in Darmstadt.
Darum gibt es so viele freie Altbauten in den neuen Bundesländern
Warum stehen so viele Altbau-Wohnungen im Osten frei? Es kann an der Nachfrage liegen. Immer wieder berichtet wurde von der Stadt Zeitz in Sachsen-Anhalt. In der Innenstadt stehen über 4.800 freie Altbau-Wohnungen. Am Stadtrand ist der Leerstand hingegen niedriger, wie die Tageszeitung Die Welt berichtete.
Die alteingesessenen Bewohner leben gerne in ihren Plattenbauten, die zu DDR-Zeiten einen gehobenen Lebensstandard boten und auch weiterhin positive Assoziation wachrufen. Da es wenig Zuzug durch Jüngere gibt, die dem Charme eines Altbaus erliegen, bleiben die Wohnungen im Zeitzer Zentrum leer.