Fingierter Mietvertrag: Gericht muss Indizien prüfen

Widersprüchlicher Vertrag unter Angehörigen

Ein Anleger hatte in Garmisch-Partenkirchen eine Wohnung ersteigert. Er vermutete zwischen dem vorherigen Besitzer und der Nutzerin ein Scheingeschäft, weil sie keine Miete zahlte. Doch Mietnachforderungen scheiterten. Nun müssen Gerichte genauer prüfen, ob Indizien für einen fingierten Mietvertrag sprechen.

Ein Anleger hatte im Dezember 2009 eine Wohnung in Garmisch-Partenkirchen durch eine Zwangsversteigerung erworben. Weil die Bewohnerin, die Schwester des vorherigen Eigentümers, nichts zahlte, verlangte der neue Eigentümer von ihr im Januar 2010 rückwirkend ab 19. Dezember 2009 eine monatliche Nutzungsentschädigung von 864 Euro sowie eine monatliche Vorauszahlungen der Betriebskosten von 136 Euro. Nachdem sie bis Juni 2010 keine Zahlungen geleistet hatte, kündigte der Eigentümer das Mietverhältnis, das er als Scheingeschäft ansah, fristlos. Er klagte auf Räumung der Wohnung sowie Zahlung von Nutzungsentschädigung in Höhe von 17.477 Euro plus Zinsen. Die Beklagte glich in der Folgezeit nur die bis Ende Juni 2011 geforderten Betriebskosten aus.

Angeblicher Mietvertrag unter Angehörigen

Die Beklagte behauptete dagegen vor Gericht, sie habe im Jahre 2003 mit ihrem Vater und ihrem Bruder als den damaligen Eigentümern der Wohnung einen Mietvertrag abgeschlossen. Darin seien ihr gegen Übernahme der Betriebskosten und einer eventuellen Pflege des Vaters ein lebenslanges Nutzungsrecht eingeräumt worden. Zum Beleg legte sie im Prozess eine Kopie des angeblichen Mietvertrages bei.

Entscheidung der unteren Instanzen gegen Eigentümer

Das Amtsgericht wies die Klage nach Einholung eines Schriftsachverständigengutachtens ab. Das Landgericht München lehnte die Berufung ab. Das Landgericht sah trotz Zweifel am ordnungsgemäßen Zustandekommen den Mietvertrag als gültig an. Denn der Bruder der Bewohnerin bestätigte mit seiner Aussage vor Gericht einen mündlichen Mietvertrag. Das Urteil des Landgericht München: Da der neue Eigentümer mit dem Erwerb der Wohnung in diesen Vertrag eingetreten sei, schulde die Beklagte abgesehen von der Übernahme der Betriebskosten keine Nutzungsentschädigung.

Bundesgerichtshof fordert genauere Prüfung


Achtung beim Kauf einer Immobilie mit bestehendem Mietverhältnis. (Bild: U. Lohrer)

Vor dem höchsten Zivilgericht hatte der Kläger am 18. September 2013 (VIII ZR 297/12) aber mit seiner Revision Erfolg. Nach Ansicht der Karlsruher Richter sind Widersprüche zwischen den Angaben des Zeugen und den aus der Vertragskopie ersichtlichen Bestimmungen von den unteren Instanzen außer Acht gelassen worden. So blieb der Hinweis des Klägers, die vorgelegte Urkunde sei lediglich "nachgeschoben" und erst nach dem Tod des Vaters erstellt worden, unberücksichtigt. Auch sei es auffällig, dass die Beklagte trotz der Aufforderung durch die Kläger nicht habe erklären können, wann, wo und unter welchen Umständen die Kopie des Nutzungsvertrags erstellt worden sei. Zudem hätte das Landgericht München beim angeblichen mündlichen Vertrag nicht mit der Vermutung des Klägers auseinandergesetzt, dass der Mietvertrag nur fingiert worden sei, damit die Beklagte oder ihre Familie ungeachtet der Zwangsversteigerung die Wohnung weiter besitzen können. 

Tipp für Immobilienerwerber

Wer eine Immobilie ersteigert, sollte sich zuvor über die Risiken bestehender Mietverhältnisse im Klaren sein. Dies gilt besonders, wenn der vorherige Eigentümer und die Mieter miteinander verwandt oder befreundet sind. Angebliche mündliche Vereinbarungen lassen sich für Außenstehende faktisch nicht überprüfen und die Chance, dass eventuelle Widersprüche in den Angaben die Vereinbarung unter Angehörigen ungültig machen, sind gering.

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