Zinssatz und Zinsentwicklung
Wie der EZB-Zins die Bauzinsen beeinflusst
Die Chancen auf billiges Baugeld stehen 2018 weiter günstig. Kreditnehmer sollten die niedrigen Bauzinsen nutzen und ihre Baufinanzierung langjährig festschreiben lassen.
Zuerst kam die weltweite Finanzkrise, dann folgten die Schuldenprobleme einiger EU-Länder: Diese Ereignisse haben die Zinsentwicklung bei den EZB-Leitzinsen maßgeblich beeinflusst. Mit Zinssenkungen auf niedrigstes Niveau versucht die Europäische Zentralbank EZB seitdem, die Finanzierung der Schulden für die Euro-Mitgliedsstaaten so günstig wie möglich zu machen. Denn die Leitzinsen haben eine direkte Wirkung auf die Zinsentwicklung am freien Kapitalmarkt und wirken sich sowohl auf Guthabenzinsen für Festgeld, Tagesgeld und Sparbriefe als auch auf den Zins für das Baugeld aus.
Weil jedoch die EZB darüber hinaus auch in großem Stil Staatsanleihen von Euro-Ländern aufkauft und damit die Nachfrage stützt, verknappt sie das Angebot am Markt. Die Folge: Investoren sind bereit, die noch verfügbaren Anleihen zu hohen Kursen zu erwerben und damit eine geringere Rendite in Kauf zu nehmen. Die Bauzinsen wiederum werden stark von der Zinsentwicklung bei Staatsanleihen beeinflusst, deren Laufzeit der Sollzinsbindung beim Baugeld entspricht.
Allerdings spiegeln die im Kreditvertrag vereinbarten Bauzinsen nicht allein die Zinsentwicklung bei den EZB-Leitzinsen wider. Bei den individuellen Berechnungen der Bank spielen zum Beispiel die Höhe des Eigenkapitals und die Bonität des Kreditnehmers, die dieser durch Einkommen und Vermögenswerte nachweist, eine wichtige Rolle. Je höher das Kreditinstitut das Risiko einschätzt, dass der Kunde eines Tages den Kredit nicht mehr bedienen kann, desto höher sind auch die ihm abverlangten Bauzinsen. Auch die Höhe der monatlichen Tilgung – also des ratenweise zurückgezahlten Geldes – hat Einfluss. Je höher sie ist, desto geringer die Zinsen. Wer im Kreditvertrag zudem die Möglichkeit von Sondertilgungen ausschließt, kann ebenfalls niedrigere Bauzinsen aushandeln. Damit berauben Sie sich allerdings der Möglichkeit, bei unverhofftem Geldsegen durch Gehaltserhöhung oder Erbschaft vorzeitig größere Summen des Kredits abzutragen.
In Zeiten niedriger Zinsen empfiehlt es sich, den günstigen Zinssatz für Baugeld möglichst lange festschreiben zu lassen. Der vereinbarte Zinssatz liegt dann zwar meist etwas über dem aktuellen Niveau, dafür verändert er sich auch dann nicht, wenn die Zinsen am Markt wieder steigen – zumindest innerhalb der Zinsbindungsphase. Die Gelegenheit für Bauherren und Immobilienkäufer, Zinsen festschreiben zu lassen, ist aktuell noch immer günstig. Was Sie an Zinszahlung sparen, können Sie eventuell gleich in die Tilgung stecken.
Experten meinen, dass sich beim derzeit niedrigen Zinssatz viele Darlehensnehmer aber auch eine höhere Anfangstilgung – zwei oder drei statt dem üblichen einen Prozent – leisten könnten. Der Vorteil liegt auf der Hand: Der Kredit ist viel schneller abbezahlt und wird dadurch günstiger.
Oft läuft die Zinsbindung aus, bevor der Baukredit vollständig abgezahlt ist. Wollen Sie eine möglichst günstige Anschlussfinanzierung aushandeln, gilt wieder die gleiche Grundregel: Bei hohem Zinssatz kurze Zinsbindung vereinbaren, einen niedrigen Zinssatz möglichst lange festschreiben lassen – am besten bis zur Schuldenfreiheit. Läuft Ihre Zinsbindung in den nächsten Jahren aus, ist eine Anschlussfinanzierung per Forward-Darlehen für Sie interessant, die auf der Grundlage des aktuellen Zinssatzes abgeschlossen wird. Sie lohnt sich nur, wenn die Marktzinsen gerade niedrig sind und bis zum Ende der Zinsbindung steigen. Forward-Darlehen sind also eine Art Wette auf die Zukunft.
Um die Entwicklung der Bauzinsen einschätzen zu können, sollten Sie sich vor dem Abschluss Ihrer Baufinanzierung mit den Faktoren beschäftigen, die sich auf die Zinsentwicklung auswirken können. Eine gute Informationsquelle sind Analystenmeinungen wie beispielsweise der aktuelle Zinskommentar, den Finanzierungsexperte Prof. Dr. Steffen Sebastian in regelmäßigen Abständen bei ImmobilienScout24.de veröffentlicht.
Für Kreditnehmer ist nicht nur wichtig, auf welchem Niveau sich die aktuellen Kreditzinsen befinden. Schließlich werden Bauvorhaben und Immobilienkäufe meist schon mehrere Monate oder gar Jahre im Voraus geplant. Lässt sich abschätzen, dass die Kreditzinsen-Entwicklung bis zur Aufnahme des Baukredits zum Nachteil des Kreditnehmers verläuft, sollte sich dieser über ein Forward-Darlehen die aktuell noch günstigen Zinsen sichern. Anhaltspunkte für die derzeitige Entwicklung der Zinsen liefern:
- Wirtschaftsdaten: Maßgeblich hängt die Kreditzinsenentwicklung davon ab, wie die EZB den Leitzins verändert. Grundsätzlich erhöht die Zentralbank den Zinssatz, wenn die Inflation nahe der Marke von zwei Prozent liegt, die Wirtschaft wächst und die Arbeitsmärkte in der EU robust sind.
- EZB-Ankündigungen: Allerdings wird die EZB den Leitzins in keinem Fall „ruckartig“ erhöhen oder absenken, sondern die Märkte gut auf die Entscheidung vorbereiten. So können Kreditnehmer in den Monaten vor der Baufinanzierung häufiger einen Blick in den Wirtschaftsteil der Zeitung werfen. Verdichten sich hier die Anzeichen für eine Leitzinsänderung, so ist diese dann auch tatsächlich wahrscheinlich. Und mit ihr entsprechend eine Veränderung der Immobilienkredit-Zinsentwicklung.
Zu beachten gilt es, dass die Bauzinsen-Entwicklung nicht im Verhältnis 1:1 mit dem Leitzins schritthält. In der Regel dauert es einige Wochen oder Monate, bis sich Leitzinsänderungen in der Zinsentwicklung des Baugelds widerspiegeln. Einen sehr guten Anhaltspunkt für eine Prognose der Zinsentwicklung für die Baufinanzierung bieten diese Informationsquellen aber definitiv.
Die Zinsentwicklung der Baufinanzierung können Kreditnehmer bei ImmobilienScout24 einsehen. Unterteilt nach verschiedenen Sollzinsbindungen von fünf bis 20 Jahren wird ein Chart für die Baukredit-Zinsentwicklung erstellt. Hieran lässt sich ausdrücklich nur der durchschnittliche Immobilien-Zinsen-Verlauf ablesen. Für einzelne Kreditnehmer können sich sowohl höhere als auch niedrigere Werte bei ihrer persönlichen Kreditfinanzierung ergeben.
Schließlich berücksichtigen die Banken bei der Vergabe von Darlehen nicht nur die aktuelle Zinsentwicklung der Bauzinsen, sondern auch die Bonität des Kreditnehmers. Beamte erhalten beispielsweise tendenziell günstigere Kreditkonditionen als andere Arbeitnehmer – bei gleichen Rahmenbedingungen und unabhängig von der Immobilien-Zinsentwicklung. Den genauen Zinssatz erfahren Kreditnehmer daher erst in einem persönlichen Beratungsgespräch, bei dem alle Faktoren berücksichtigt werden.