Die vertagte Zinswende


Im heißen Sommer schmelzen die Bauzinsen auf neuen Tiefststand


Das kann sich hören lassen! Unser Zinskommentar als Podcast


Das Wichtigste in Kürze:

  • Die Inflation kommt nicht in Fahrt, daher rechnet die EZB mit der Zinswende erst 2020.
  • Bei der Fed denkt man indes sogar über eine Leitzinssenkung nach.  
  • Im Juni sind die Bauzinsen gesunken – sogar im zweistelligen Nachkommabereich.

Hinweis: Blau = Verlinkte Fachbegriffe im Miniglossar am Ende des Artikels


Bauherren können aufatmen. Nicht wegen der Hitze, aber wegen der Bauzinsen. Man hätte ja tatsächlich damit rechnen können, dass die Zinsen mal wieder steigen – insbesondere, wenn man die Ankündigungen der Experten aus dem vergangenen Jahr nachliest. Aber nein: Auch in diesem Monat gaben die Bauzinsen sogar verstärkt nach – und im direkten Vergleich zum letzten Jahr haben sich die Zinsen deutlich reduziert. Mehr dazu am Ende dieses Zinskommentars.


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Zinswende in Europa vielleicht erst 2020


Die Entwicklung der Bauzinsen passt zur allgemeinen Lage der Geldpolitik durch die Europäische Zentralbank (EZB). Die schon mehrmals angekündigte und auch mehrmals verschobene Anhebung der Leitzinsen – und damit auch ein Impuls für die Kreditzinsen – ist für 2019 vom Tisch. Bei der Zinssitzung im Juni stellten Mario Draghi und seine Europabanker eine Zinserhöhung „nicht vor der zweiten Jahreshälfte 2020“ in Aussicht. Derweil bleibt es bei Leitzinsen bei 0,0 Prozent und 0,4 Prozent Strafzinsen für alle Banken, die ihr Geld bei der EZB parken. Auch die Idee, Strafzinsen zu staffeln, um die Banken zu entlasten, hat man in Frankfurt verworfen. Früher im Jahr wurden von verschiedenen Seiten Forderungen nach so einer partiellen Entlastung laut. 



Die EZB kommt erneut vor Gericht


Zu den wichtigsten Maßnahmen der Geldpolitik, die die EZB einsetzt, zählen Senkungen der Leitzinsen und das Aufkaufen von europäischen Staatsanleihen. Das Ziel: Die Wirtschaft mit billigem Geld zu versorgen und die Kerninflation auf das angestrebte Ziel von knapp unter zwei Prozent zu treiben.

2015 ging es mit dem Anleihenaufkaufprogramm los, seit Ende 2018 werden keine neuen Anleihen mehr gekauft. In der gesamten Zeit erwarb die Zentralbank insgesamt Anleihen im Wert von rund 2,6 Billionen Euro. Und mit solchen Summen lässt sich Wirtschaftspolitik machen. Das darf die EZB aber nicht. Deshalb stand sie bereits vor zwei Jahren einmal vor Gericht: Damals ging es darum, dass sich die EZB mit ihren Aktionen in die Haushaltshoheit der Mitgliedsstaaten einmische und damit ihre Kompetenzen überschreite. Vor dem Bundesverfassungsgericht wurde die Zentralbank im Dezember 2018 jedoch von diesem Verdacht freigesprochen. Nun geht es Ende Juli erneut nach Karlsruhe vor Gericht: Diesmal soll geprüft werden, ob die Anleihekäufe mit dem deutschen Grundgesetz vereinbar sind. Falls nicht, darf die Deutsche Zentralbank dabei möglicherweise nicht mehr mitmachen.

„Ihr habt´s verbockt“ – Trump beschimpft die Fed


Bei der amerikanischen Notenbank Fed kommt niemand vor Gericht. Ihr Chef Jerome Powell hat stattdessen regelmäßig Auftritte in Tweets von Präsident Trump. Das ist vielleicht noch schlimmer als die offizielle Anklagebank. Trump will von Powell, dass er endlich die Leitzinsen senkt. Der lässt sich aber nicht vor Trumps politischen Karren spannen und betont die Unabhängigkeit der Fed. Also beschimpft ihn Trump als „störrisches Kind“ und zwitscherte bei Twitter, dass „die Fed nicht weiß, was sie tut“. Trump wolle Zinssenkungen, um auszugleichen, was andere Länder gegen die USA unternähmen. „Ihr habt´s verbockt“, ist sein letzter Gruß an die Fed.

Zinssenkung steht vermutlich bevor


Dabei hätte sich Trump gar nicht aufregen müssen. Es ist fast voraussehbar, dass die Fed bei der nächsten Zinssitzung Ende Juli die Zinsen tatsächlich senken wird, auch wenn einige Fed-Bezirkschefs zu maßvoller Ruhe mahnen – denn noch sei nicht absehbar, ob und in welchem Umfang die Handelsstreitigkeiten, unter anderem mit China, dem Wirtschaftswachstum der USA schaden. Am Rande des G20-Gipfels gab es immerhin schon einmal eine Annäherung an China und auch der Bann gegen Huawei könnte mittelfristig wieder gelockert werden.  


ImmobilienScout24-Zinsbarometer: Tiefstand!


Im heißen Sommer schmelzen die Bauzinsen. Auch dieses Jahr ist das wieder so (siehe Diagramm, Stand 29.06.2019). Schon die kurzfristigen Bauzinsen über fünf Jahre reduzierten sich um 0,11 Prozentpunkte auf jetzt 0,61 Prozent.

Auch bei den Krediten über zehn Jahre haben die Zinsen deutlich Federn gelassen: Von 1,04 Prozent im letzten Zinskommentar ging es in diesem Monat runter auf 0,91 Prozent, also satte 0,13 Prozentpunkte. Die höchste Negativentwicklung legten die langfristigen Zinsen hin: Um 0,14 Prozent sanken sowohl die 15-jährigen Kredite (1,24 Prozent ist der neue Wert) als auch Kredite mit 20-jähriger Zinsbindung (1,44 Prozent).



*Hinweis: Bei den Zinsen handelt es sich um Durchschnittswerte der bei ImmobilienScout24 gelisteten Baufinanzierer zum angegebenen Stichtag. Für die Kalkulation wurden folgende Modelldaten verwendet: Angestellter, Darlehenssumme: 200.000 Euro, Beleihungsauslauf: 80 Prozent, Tilgungsrate: 3 Prozent.  


Miniglossar - wichtige Fachbegriffe in diesem Artikel


Geldpolitik Darunter versteht man alle Maßnahmen eines Staates, die Geldversorgung und Kreditangebote der Banken zu regulieren, um wirtschaftspolitische Zwecke zu erfüllen. Dahinter steht das Ziel, den Wert des Geldes einer Volkswirtschaft stabil zu halten.

Fed: ist die Abkürzung für Federal Reserve. Damit ist die Zentral- oder Notenbank der USA gemeint.

Leitzinsen: Diese von der Zentralbank eines Landes festgelegten Zinsen geben an, zu welchen Konditionen sich Kreditinstitute bei der Noten- bzw. Zentralbank Geld leihen können. Sie sind ein wichtiges Steuerungsmittel der Geldpolitik.

Kerninflation: Ein volkswirtschaftliches Konzept, das bestimmte Güter aus der Berechnung der Inflationsrate ausklammert. Dabei handelt es sich meist um die Preisschwankungen für Lebensmittel und Produkte aus dem Energiesektor, die saisonal schwanken, aber deren Preisänderungen nicht auf die Volkswirtschaft selbst zurückzuführen sind.

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