Das Recycling-Haus nimmt Gestalt an

Bauprojekt in Hannover nutzt vorhandene Rohstoffe für einen Neubau

Alte Ziegel und Stahlstreben aus einem Abbruchhaus, Wandverkleidungen aus dem Messebau, Trittschalldämmung in Form von alten Gehwegplatten und eine Gebäudedämmung aus Jutesäcken: Mit viel Kreativität entsteht am Kronsberg in Hannover ein 150-Quadratmeter-Wohnhaus mit recycelten Materialien.


Das Recycling-Haus

Unter der Regie des Bauunternehmens Gundlach und des Architektenbüros Cityförster entsteht das Leuchtturmprojekt in Hannover. Die Beteiligten wollten lernen, ob und wie ein Haus aus recycelten Materialien überhaupt realisierbar ist. Vor allem das Ringen mit der Bauordnung stellte sich als komplex heraus. Umso erstaunlicher ist das Ergebnis: Rund 50 Prozent der Materialien sind wiederverwertet und auch so eingebaut, dass sie später erneut recycelt werden können. So wurde etwa der Holzrohbau ohne Leimverbindungen erstellt.


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Doch woher kommen die Materialien? Einerseits verwendeten die Hersteller industriegefertigte Recycling-Materialien wie beispielsweise Betonstoffe, andererseits wurden auch Bauteile „geerntet“, also aus Gebäuden ausgebaut, die abgerissen werden sollen. Die Architekten von Cityförster weisen auf die besondere Vorgehensweise dieser Praxis hin: „Die Bauweise erforderte einen in seiner Reihenfolge geänderten Planungsprozess: Gedacht wurde nicht vom Rohbau zum passenden Einbauteil, sondern vice versa. Also zum Beispiel vom 'geernteten' Fensterelement zur Festlegung der Rohbauöffnung.“ Selbst die Kronkorken, die beim Richtfest im Sommer 2018 anfielen, wurden gesammelt und für eine Wandbelag verwendet.

"Graue Energie" und die EnEV

Günstiger als ein Neubau ist das Recycling-Haus übrigens nicht. Das Haus musste immer wieder anhand der verfügbaren Rohstoffe umgeplant werden. „Die Transporte und der Umbau machen es leider fast teurer, als wenn man einfach etwas Neues gekauft hätte“, erklärt Projektleiterin Corinna Stubendorff von Gundlach. 

Die verquere Logik der Wegwerfgesellschaft schlägt sich also auch bei solchen Großprojekten nieder. Konsequenterweise deutet Nils Nolting vom Architekturbüro Cityförster darauf hin, dass es einen Systemfehler in der Energieeinsparverordnung (EnEV) gäbe: „Die EnEV berücksichtigt den Energieaufwand, der zur Herstellung der Bauteile erforderlich ist – die sogenannte Graue Energie – überhaupt nicht.“ Mit anderen Worten: Keiner achtet darauf, wie viel Energie und Rohstoffe für den Bau von Gebäuden benötigt wird – weil alles auf einen ausschließlich energieeffizienten Betrieb ausgelegt sei.

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