Urteil: Hoher Lüftungsaufwand für Mieter unzumutbar
Gericht benachteiligt Vermieter von Niedrigenergiehaus
Nach einem neuen Urteil des Landgerichts Konstanz (vom 20.12.2012 – 61 S 21/12 A) dürfen die Mieter wegen Schimmels die Miete mindern – auch wenn sie den genauen Lüftungsvorgaben des Vermieters nicht nachkommen.
Weil ihre Wohnung Feuchtigkeit und Schimmel aufwies, kürzten Mieter in Konstanz ihren Mietzins um 110 Euro oder 20 Prozent der ursprünglichen Miete. Dies wollte sich der Vermieter nicht gefallen lassen. Er ließ ein Sachverständigenbüro mehrere Wohnungen im Mietshaus untersuchen. Das Ergebnis: Ein Baumangel liege nicht vor. Der Vermieter forderte daraufhin die einbehaltene Miete und ein Drittel der Gutachterkosten vom Mieter, weil dieser seiner Ansicht nach für ein Niedrigenergiehaus zuwenig heize und lüfte. Doch seine Klage scheiterte beim Amtsgericht und beim Landgericht Konstanz (61 S 21/12 A).
Richtiges Lüften in einem Niedrigenergiehaus ist aufwendig. (Bild: U. Lohrer)
Das Landgericht bestätigte zwar, dass der Gutachter keine baulichen Mängel festgestellt habe. Daraus könne man aber nicht folgern, dass die Mieter den Schimmel selbst verursacht hätten. Es käme nicht darauf an, ob es objektiv möglich sei, in einem Niedrigenergiehaus durch Lüften Schimmel zu verhindern. Sondern, ob man von den Mietern verlangen könne, so zu heizen und zu lüften, wie es dafür notwendig wäre. Es sei schwierig, in einem Niedrigenergiehaus die natürliche Feuchtigkeit aus der Wohnung zu bekommen. Diese Bauwerke seien so gut abgedichtet, dass kaum noch ein natürlicher Luftaustausch stattfinde. Wenn aber das „übliche und zumutbare“ Heizen und Lüften nicht ausreiche, um Schimmel zu vermeiden, sei darin ein Mangel der Mietsache zu sehen.
Ein Schlafzimmer auf nur 17 Grad Celsius zu heizen, entspreche „vertragsgemäßem Gebrauch der Mietsache“ und sei kein Fehlverhalten, so die Richter. Auch in den anderen Räumen dürften Mieter, schon um Energie zu sparen, die Temperatur tagsüber auf durchschnittlich 18 Grad absenken, wenn sie berufsbedingt abwesend seien.
Auch bei der Häufigkeit des Lüftens waren die Richter anderer Ansicht als der Vermieter. Im konkreten Fall seien die Mieter nicht verpflichtet, sechs Mal täglich mehrere Minuten lang querzulüften. Dies hatte der vom Vermieter herangezogene Experte empfohlen. Das sei zu viel verlangt. Daher hätten sie das Auftreten der Feuchtigkeitsschäden nicht zu vertreten. Die Miete wegen dieses Mietmangels um 20 Prozent zu kürzen, sei angemessen.
Besitzer oder Erwerber von Niedrigenergiehäusern sollten sich bewusst sein, dass die extreme Isolierung eine außergewöhnliche Beheizung und Belüftung voraussetzt. Um Feuchtigkeit und Schimmel zu vermeiden, ist ein sehr hoher Aufwand der Mieter notwendig, über dessen Zumutbarkeit sich Gerichte nicht einig sind. Entgegen der Entscheidung des Landgerichts Konstanz, dreimal Lüften sei bereit unzumutbar, stehen beispielsweise Urteile des Landgerichts Hannover und der Amtsgerichte von Bremerhaven und Bochum, wonach „drei bis viermaliges Querlüften am Tag“ ausreicht. Insgesamt schwankt die Spannbreite der Urteile zwischen der Forderung, Mieter müssten mindestens fünf Mal täglich querlüften, und der Ansicht, drei Mal für neun Minuten lüften zu müssen, sei unzumutbar. Auch bei der Mietminderung wegen Schimmels gibt es eine große Spannweite der Urteile, die zwischen zehn Prozent und 80 Prozent Mietminderung reicht.
Eine Möglichkeit, um eventuelle Konflikte mit Mietern oder Schäden in der Wohnung zu vermeiden, ist der Einbau von Lüftungsanlagen, die die fehlende Belüftung ausgleichen.