Warten auf die Inflation
Zinskommentar Dezember 2017: Das Ende der Jamaika-Sondierungsgespräche hatte keinen Einfluss auf die Zinsentwicklung. Die Bauzinsen bleiben stabil. Vermutlich wird sich daran auch bis Ende des Jahres nichts Grundlegendes ändern.
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Das Wichtigste in Kürze:
- Das Ende der Jamaika-Sondierungsgespräche hatte keinen Einfluss auf die Zinsentwicklung.
- Fed und EZB suchen nach den Ursachen der stagnierenden Inflation – und werden nicht fündig.
- Im November sind die Bauzinsen leicht gesunken.
Hinweis: Blau = Verlinkte Fachbegriffe im Miniglossar am Ende des Artikels
War da was in Deutschland? Ach ja, die gefühlt unendlichen Jamaika-Sondierungsgespräche wurden von FDP-Parteichef Christian Lindner am Abend des 19. November abgebrochen. Fegte da ein Hurrikan durch die Börsenlandschaft? Nö, eher ein laues Lüftchen: ein leicht schwächelnder DAX, ein etwas niedrigerer Euro, aber schon am Mittag des Folgetages war alles wieder im Lot. Die Finanzmärkte, so scheint es, stören sich nicht weiter daran. Die Erfahrungen mit anderen Ländern, bei denen es mit der Regierungsbildung anfangs haperte, haben sie widerstandsfähig gemacht. In Spanien dauerte es beispielsweise rund 10 Monate, von Dezember 2015 bis Oktober 2016, bis die Regierung ihre Arbeit aufnahm. Alles halb so schlimm.
Das meinen auch die Finanzexperten. „Politische Börsen haben kurze Beine“, so wird Ulrich Stephan, seines Zeichens Chefanlagestratege für Privat- und Firmenkunden der Deutschen Bank zitiert: „Insgesamt halte ich das Thema Regierungsbildung für ökonomisch wenig relevant.“
Die Zinsen für Baufinanzierungen bleiben entsprechend stabil. Vermutlich wird sich daran auch bis Ende des Jahres nichts Grundlegendes ändern. Die Europäische Zentralbank (EZB) hatte Ende Oktober verkündet, die Leitzinsen bei null Prozent zu belassen und lediglich das Anleihenaufkaufprogramm zu halbieren, es aber bis September 2018 weiterlaufen zu lassen. Allerdings lässt sich die EZB die Option offen, das Volumen jederzeit wieder zu erhöhen, sollte dies nötig sein.
Das Preisstabilitätsziel der EZB liegt bei einer Kerninflation von knapp unter zwei Prozent. Im Oktober pendelte sie sich im Euroraum bei nur 0,9 Prozent und in Deutschland bei 1,2 Prozent ein. Da ist also noch eine Menge Luft nach oben und die Grenze zur Anhebung des Leitzinses entsprechend weit. Aus den kürzlich von der EZB veröffentlichten Protokollen der Oktobersitzung kann man herauslesen, dass die niedrige Inflation in der Eurozone für großes Stirnrunzeln sorgt. Die Konjunktur entwickelt sich prachtvoll, die Arbeitslosenquote sinkt, gleichzeitig kommt es zu keinen größeren Preisteigerungen und auch die Löhne entwickeln sich nur mäßig.
Preisstabilität in der Eurozone
Zu den wichtigsten Zielen der Europäischen Zentralbank zählt die Preisstabilität. Das bedeutet: Der Wert des Geldes soll auf mittlere Sicht nicht steigen (Deflation) oder zu stark sinken (Inflation). Der EZB-Rat als oberstes Entscheidungsgremium des Eurosystems hat die Vorgabe der Preisstabilität in einer konkreten Zahl ausgedrückt: Preisstabilität ist demnach ein Preisanstieg von unter, aber nahe zwei Prozent – im Vergleich zum Vorjahr. Dies bezieht sich auf das gesamte Eurogebiet. Beobachtet wird dabei ein Warenkorb bzw. Verbraucherpreisindex. Das Inflationsziel soll mittelfristig gelten, weil geldpolitische Maßnahmen oftmals nur mit Verzögerung wirken.
Bisher galt es als eine Art Naturgesetz: Wenn die Arbeitslosigkeit sinkt, steigen die Löhne. Wenn das fortan nicht mehr passiert, kann das zum Problem werden, weil die EZB keinen Sinn darin sieht, jetzt die Zinsen anzuheben – ihr Inflationsziel ist ja noch lange nicht erfüllt. Falls die Konjunktur dann irgendwann wieder schwächelt und Zinssenkungen angebracht wären, haben die Währungshüter keine Handhabe mehr, um die Geldmenge günstig zu beeinflussen: Die Zinsen sind ja schon im Keller und noch billiger wird das Geld nicht.
Die Schwierigkeiten Europas sind die Probleme der USA. Auch Fed-Chefin Janet Yellen strebt eine Inflation von zwei Prozent an, aber diese kommt nicht recht vom Fleck. Auch sie freut sich über eine boomende US-Wirtschaft mit einer sensationellen Arbeitslosenquote von 4,1 Prozent – also quasi Vollbeschäftigung – und wundert sich öffentlich darüber, dass die Löhne nicht anziehen. Ab Februar 2018 wird ein anderer darüber die Stirn runzeln: Präsident Donald Trump nominierte den Juristen Jerome Powell zum neuen Fed-Chef. Die Wahl des Multimillionärs schien zunächst für viele überraschend, aber mittlerweile überwiegt eine positive Zustimmung. Denn: Powell ist immerhin seit 2012 Mitglied im Fed-Direktorium und hat die meisten der Entscheidungen von Yellen und ihrem Vorgänger Ben Bernanke mitgetragen. Seine Nominierung steht für Stabilität. Und Stabilität – das weiß auch Trump – ist der Kitt, der die Börsen zusammenhält.
Die Bauzinsen waren im vergangenen Monat stabil oder sogar leicht rückläufig, wie das ImmobilienScout24-Zinsbarometer* (siehe Diagramm, Stand 18.11.2017) zeigt. Die Kredite mit zehnjähriger Zinsbindung sanken leicht auf 1,21 Prozent, die Kredite mit fünfjähriger Zinsbindung blieben weitgehend stabil auf 0,96 Prozent. 15-jährige Kredite haben ebenfalls den Sinkflug angetreten: von 1,66 Prozent auf 1,60 Prozent. Die Zinsen mit einer Zinsfestschreibung von 20 Jahren liegen derzeit bei 1,78 Prozent.
Der gute Rat bleibt also bestehen: Nutzen Sie möglichst hohe Tilgungsraten in Kombination mit einer langen Zinsbindung und viel Eigenkapital. Achten Sie bei Ihrem Vertrag darauf, sich Tilgungsänderungen und Sondertilgungen zu sichern: So lässt sich flexibel auf Mark- und Einkommensveränderungen reagieren.
*Hinweis: Bei den Zinsen handelt es sich um Durchschnittswerte der bei ImmobilienScout24 gelisteten Baufinanzierer zum angegebenen Stichtag. Für die Kalkulation wurden folgende Modelldaten verwendet: Angestellter, Darlehenssumme: 200.000 Euro, Beleihungsauslauf: 80 Prozent, Tilgungsrate: 3 Prozent.
Fed ist die Abkürzung für Federal Reserve. Damit ist die Zentral- oder Notenbank der USA gemeint.
Geldpolitik: Darunter versteht man alle Maßnahmen eines Staates, die Geldversorgung und Kreditangebote der Banken zu regulieren, um wirtschaftspolitische Zwecke zu erfüllen. Dahinter steht das Ziel, den Wert des Geldes einer Volkswirtschaft stabil zu halten.
Kerninflation: Ein volkswirtschaftliches Konzept, das bestimmte Güter aus der Berechnung der Inflationsrate ausklammert. Dabei handelt es sich meist um die Preisschwankungen für Lebensmittel und Produkte aus dem Energiesektor, die saisonal schwanken, aber deren Preisänderungen nicht auf die Volkswirtschaft selbst zurückzuführen sind.
Leitzinsen: Diese von der Zentralbank eines Landes festgelegten Zinsen geben an, zu welchen Konditionen sich Kreditinstitute bei der Noten- bzw. Zentralbank Geld leihen können. Sie sind ein wichtiges Steuerungsmittel der Geldpolitik.
Seitwärtsbewegung: Von Seitwärtsbewegungen spricht man, wenn sich der Kurs oder die Zinsen weder nach oben noch nach unten bewegen, sondern sich gleichmäßig entwickeln.
Irrtum vorbehalten