Brexit und kein Ende
05. Juli 2016 - Zinskommentar von Prof. Dr. Steffen Sebastian
Die Entscheidung der britischen Bevölkerung hat keine Klarheit gebracht. Die Unsicherheiten bleiben jedoch zunächst ohne größere Auswirkungen für Zinsen in Deutschland.
Gut zwei Wochen nach dem britischen Referendum ist nur klar, wie sich die Mehrheit der britischen Bevölkerung entschieden hat. Ansonsten ist noch nicht einmal gesichert, wann und ob Großbritannien tatsächlich den Austritt aus der Europäischen Union erklären wird. Zunächst wird nichts passieren, da der amtierende Premier ausgeschlossen hat, den Beitritt selbst zu erklären, aber noch bis September im Amt bleibt. Es ist zu erwarten, dass auch sein Nachfolger erst einmal versuchen wird, vor einer Entscheidung die Bedingungen des Austritts zu verhandeln. Da dies von vielen europäischen Funktionären und Politikern abgelehnt wird, wird sich sogar der Beginn der Verhandlungen einige Zeit hinziehen. Und sollte es tatsächlich zu einem Austritt kommen, beginnt zunächst einmal nur eine weitere zweijährige Übergangszeit, in der Großbritannien mit allen Rechten und Pflichten Mitglied der EU bleiben kann. Welche rechtliche und wirtschaftliche Einbindung Großbritannien dann in der Zukunft haben wird, ist noch völlig unklar. Vieles spricht aber dafür, dass im beiderseitigen Interesse grenzüberschreitender Handel von Waren und Dienstleistungen nicht unnötig eingeschränkt wird.
Gegenüber dem Stand vor zwei Wochen sind die Zinsen leicht gesunken. Für fünfjährige Zinsbindungen haben die Konditionen leicht auf 0,92 Prozent nachgegeben. 10‑jährige Kredite werden im Durchschnitt mit 1,14 statt zuvor 1,18 Prozent angeboten. Die Zinsen für fünfzehnjährige Laufzeiten gaben nur um 0,02 Prozentpunkte auf 1,52 Prozent nach.
Zum einen führt die zeitliche Verzögerung dazu, dass sich vor allem die Kapitalmärkte Zeit lassen können, ihre Bewertungen an die sich allmählich veränderten Bedingungen anzupassen. Entsprechend waren die Auswirkungen an den internationalen Finanzbörsen auch vergleichsweise unspektakulär.
Unsicherheit ist aber immer ein schlechter Begleiter für unternehmerische Entscheidungen. Somit wird die andauernde Unklarheit eher negative Auswirkungen nicht nur für Großbritannien, sondern auch für den Rest von Europa haben. Ohne konjunkturelle Erholung ist aber auch nicht mit höheren Inflationsraten zu rechnen. Daher wird die Europäische Zentralbank die Zinsen auch weiterhin auf niedrigem Niveau lassen. Auch von der Marktseite ist mit tendenziell höherer Nachfrage nach langlaufenden Bundesanleihen zu rechnen, was im Ergebnis ein niedriges Zinsniveau auch für Immobiliendarlehen mit längeren Laufzeiten haben sollte.