Oberlandesgericht entscheidet erstmalig zugunsten der Bausparer
Bausparer wehrt sich gegen vorzeitige Kündigung
Seit mehreren Jahren überziehen Bausparkassen hunderttausende Kunden mit einer Kündigungswelle: Weil die Guthabenzinsen in manchen Verträgen so hoch sind, wollen sie die Bausparer wieder loswerden. Das ist ihnen in der Vergangenheit oft gelungen. Jetzt entschied erstmalig ein Oberlandesgericht zugunsten der Sparer.
Das Oberlandesgericht (OLG) Stuttgart stellte in seinem Urteil klar, dass der von der Bausparkasse Wüstenrot gekündigte Vertrag fortgesetzt werden müsse. Der Bausparvertrag der Kundin war seit 1993 zuteilungsreif, aber sie forderte das Darlehen nicht ab. Stattdessen ließ sie ihr Guthaben auf dem Konto liegen und erhielt dafür vertragsgemäß drei Prozent Zinsen. Wüstenrot beendete deshalb den Vertrag und begründete dies mit der gesetzlichen Zehnjahresfrist für die Kündigung von Darlehen. Allerdings hatte die Bausparkundin zu diesem Zeitpunkt nur etwa 15.000 Euro der vereinbarten rund 20.500 Euro eingezahlt. Weil das Sparziel noch nicht erreicht sei, könne die Zehnjahresfrist gar nicht angewendet werden. So die Begründung des OLG Stuttgart (Az.: 9 U 171/15).
Wie sollen sich Bausparer verhalten, die eine Kündigung erhalten haben oder erwarten? Die Verbraucherzentrale Baden-Württemberg rät dazu, keine Auszahlungs- oder Antwortformulare zu unterschreiben, oder gar Schecks mit dem Bausparguthaben anzunehmen. Die Bausparkasse könnte anschließend argumentieren, dass der Kunde den Ausstieg aus dem Vertrag gebilligt habe. Die Verbraucherzentrale stellt auf ihrer Website einen Musterbrief im Word-Format zur Verfügung, mit dem Bausparer der Kündigung oder Kündigungsandrohung widersprechen können.
Wie Wüstenrot wollen viele Bausparkassen ihre früher umworbenen Kunden loswerden, weil sie die vergleichsweise hohen Zinsen von bis zu fünf Prozent auf dem Kapitalmarkt selbst nicht mehr erwirtschaften können. Deshalb nutzen sie jede sich bietende Möglichkeit, die Verträge frühzeitig zu kündigen. Und das, obwohl sie in den vergangenen Jahren explizit mit hohen Renditen und dem Argument geworben hatten, der Bausparvertrag diene neben der Baufinanzierung auch dem Vermögensaufbau.
Wüstenrot kündigte Ende April an, in Revision zu gehen. Wenn sich zukünftig der Bundesgerichtshof mit dem Urteil beschäftigen muss, könnte dies wegweisend für die Rechtssprechung in vielen ähnlichen Fällen sein.