Die 5 Eskalationsstufen bei Baulärm

Baubelästigung beginnt mit der lauten Bohrmaschine des Nachbarn und endet mit der Totalsanierung eures Wohnhauses. Wie viel Lärm, Schmutz oder Einschränkungen müsst ihr als Mieterinnen und Mieter ertragen, bevor ihr Schadenersatz fordern dürft?


Veröffentlicht am 03. Oktober 2020

Baulärm und andere Baubelästigungen sind häufig Anlass für Streit zwischen Mietern und Vermietern. Meist geht es dabei um Geld beziehungsweise darum, ob die Beeinträchtigungen so gravierend sind, dass ein Mangel an der Mietsache vorliegt und der Mieter deshalb die Miete kürzen darf. Im Zweifelsfall müssen das die Gerichte entscheiden. Bestehende Urteile dienen lediglich als Orientierung, es sei denn, der Bundesgerichtshof (BGH) trifft eine Grundsatzentscheidung.

Die sehr unterschiedlichen Formen und Schweregrade der Baubelästigung haben wir in fünf „Eskalationsstufen“ zusammengefasst, zu denen wir Beispiele beschreiben sowie Folgen und Lösungsmöglichkeiten erklären. Es handelt sich dabei nicht um eine juristische Bewertung, sondern um eine Einordnung aus Mietersicht.


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Stufe 1: Baulärm aus der Nachbarwohnung


Das Beispiel: Die Nachbarsfamilie renoviert ihre Wohnung, schleift die Dielenfußböden ab, hängt neue Küchenschränke auf und baut im Kinderzimmer ein Hochbett. Schleifgerät, Säge und Bohrmaschine sind den ganzen Tag im Einsatz.

Folgen und Lösung: Heimwerkerlärm ist im rechtlichen Sinne kein Baulärm, was ihn allerdings nicht weniger lästig für die Nachbarn macht. Sofern die renovierende Mietpartei die Ruhezeiten der jeweiligen Gemeinde und die der Hausordnung einhalten, müsst ihr den Lärm zumindest für eine begrenzte Zeit dulden.

Bei gravierender, länger anhaltender Ruhestörung könnt ihr vom Vermieter verlangen, dass er Abhilfe schafft. Auch eine Mietminderung wäre dann denkbar. Dazu müsst ihr aber Lärmprotokolle anfertigen und Zeugen finden, was in vielen Fällen schwierig ist. Hausverwaltungen lassen oft lieber die Mieter den Konflikt untereinander austragen.

Bevor ihr jedoch juristische Schritte gegen den Lärmverursacher unternehmt, versucht eine Einigung, eventuell auch mithilfe einer Mediation. Denn: Mit Nachbarschaftsstreit vor Gericht ist selten etwas zu gewinnen.

Stufe 2: Baumaßnahmen in oder an der eigenen Wohnung


Das Beispiel ist in diesem Fall eine Balkonsanierung. Diese ist immer mit Lärm, Schmutz und meistens Einschränkungen durch ein Baugerüst verbunden. Die Mieterin oder der Mieter kann den Balkon vorübergehend nicht benutzen. Damit ist ein Anspruch auf Mietminderung grundsätzlich begründet. Er muss aber auch gegen den Vorteil abgewogen werden, den ein sanierter, meist auch optisch verbesserter Balkon dem Mieter oder der Mieterin bringt. Ein gewisses Maß an Unannehmlichkeiten muss deshalb in Kauf genommen werden.


Folgen und Lösung: Ob und in welcher Höhe eine Mietminderung bei Balkonsanierung angemessen ist, haben Gerichte in zahlreichen Einzelfällen entschieden. Ausschlaggebend waren vor allem die Dauer der Sanierung, das Ausmaß der Lärmbelästigung und die Beeinträchtigung durch ein Gerüst.

  1. Beispiele von angemessenen Mietminderungsquoten lagen bei
  2. drei Prozent, wenn der Balkon nur vorrübergehende nutzbar war;
  3. bis zu zehn Prozent bei Bauschutt auf dem Balkon und Einrüstung;
  4. bis zu 15 Prozent bei Unbenutzbarkeit und Behinderung von Luft- und Lichtzufuhr durch das Gerüst.
  5. Bei einer Sanierung im Winter, wenn der Balkon ohnehin nicht genutzt wird, wurde gar kein Anspruch auf eine Mietminderung anerkannt.

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Stufe 3: Die Baustelle in der Nachbarschaft


Das Beispiel: Direkt neben dem Mietwohnhaus wird ein altes Gebäude abgerissen und auf der Freifläche ein Haus mit zehn Apartments gebaut. Über Monate sind die Mieter dem Lärm der Abriss- und Baumaschinen ausgesetzt, können tagsüber kaum die Fenster öffnen oder auf Balkon sitzen. Zum Lärm kommt noch Baustaub hinzu.

Folgen und Lösung: Belästigung durch Nachbarbaustellen können grundsätzlich einen Mietmangel darstellen und Mietminderung begründen, obwohl der Vermieter gar nicht dafür verantwortlich ist. Diese Fälle landen häufig vor Gericht, weil der Vermieter die Minderung nicht anerkennen will. Die Urteile dazu sind in der Vergangenheit recht unterschiedlich ausgefallen. Für einen Fall wie den oben beschriebenen gab es Minderungsquoten von etwa zehn bis 20 Prozent, in Einzelfällen auch darüber.

Hätte der Mieter aber schon bei Vertragsabschluss Hinweise auf eine zukünftige Bautätigkeit erkennen können, etwa aufgrund einer Baulücke, kann der Mietminderungsanspruch auch abgelehnt werden. Darum ging es unter anderem in einem Fall, den der BGH im April 2020 (VIII ZR 31/18) entschied. Dieses richtungsweisende Urteil verlangt unter anderem vom Mieter detaillierte Nachweise zu den Baubelästigungen.

Der Deutsche Mieterbund erwartet deshalb, dass es in Zukunft schwieriger wird, Mietminderungen durchzusetzen, wenn es sich um Baubelästigungen handelt, die vom Nachbargrundstück ausgehen.

Stufe 4: Modernisierung des Mietshauses


Das Beispiel: Der Vermieter kündigt umfangreiche Modernisierungsarbeiten am Haus an, darunter Fassadendämmung, Austausch der Fenster und Ausbau des Dachgeschosses. Mieter müssen sich Baulärm, Schmutz im Treppenhaus oder in der eigenen Wohnung sowie eine Verhüllung der Fassade einstellen. Das kann zu einer erheblichen Beeinträchtigung des Wohnwerts führen.

Folgen und Lösung: Grundsätzlich gibt es ein Recht auf Mietminderung, wenn der Vermieter Sanierungs- und Modernisierungsarbeiten ausführen lässt. Handelt es sich um eine energetische Modernisierung, das heißt, energiesparende Maßnahmen wie Fenstertausch oder Dämmung, dann ist seit Mai 2013 die Mietminderung per Gesetz für die ersten drei Monate ausgeschlossen. Bei allen anderen Modernisierungsarbeiten ist von Anfang an eine Minderung möglich.

Für die Lärmbelästigung durch einen Dachausbau wie in unserem Beispiel haben Gerichte den Mietern Minderungsquoten von 15 bis 25 Prozent zugestanden. Wird die eigene Wohnung zur Baustelle und daher nahezu unbewohnbar, kann sogar eine Mietminderung von bis zu 100 Prozent angemessen sein.

Stufe 5: Das Haus wird zur Dauerbaustelle


Das Beispiel: Mitten in der Coronakrise begannen in einem Mietshaus in Berlin-Moabit Arbeiten zur Entkernung von leer stehenden Wohnungen. Die verbliebenen Bewohner, teilweise Angehörige von Risikogruppen, die das Haus gar nicht verlassen sollten, waren den ganzen Tag dem Lärm von Presslufthämmern sowie Staub und Schmutz ausgesetzt. Schon seit Jahren ist das Haus eine Dauerbaustelle. So ist beispielsweise seit August 2019 der Aufzug ausgebaut.

Beim seit über zehn Jahren schwelenden Streit zwischen Mietern und der Vermietergesellschaft geht es auch um die grundsätzliche Ablehnung von Modernisierungsmaßnahmen (Stichwort „Luxussanierung“) und der damit verbundenen Mieterhöhungen. Belästigungen durch Bauarbeiten sind ein Teil dieser Auseinandersetzungen, die bereits mehrfach vor Gerichten verhandelt wurden.

Folgen und Lösung: In diesem sicherlich extremen Fall zeichnet sich bisher keine Lösung ab. Zwar gab es vor Gericht Teilerfolge für die Mieter, doch es tauchen immer wieder neue Probleme auf.

Wegen der hohen Lärmbelästigung schalteten die Mieter auch die Senatsverwaltung ein, die anordnete, dass lärmintensive Abbrucharbeiten mit Vorschlaghämmern oder ähnlichen Geräten nur werktags zwischen 8.00 und 10.30 Uhr ausgeführt werden dürfen. Nach Aussagen der Mieter wird aber weiterhin auch außerhalb dieser Zeiten mit hohem Lärmpegel gearbeitet. Der Vermieter bestreitet das, die Lärmprotokolle der Mieter reichen der Verwaltung als alleiniges Beweismittel nicht aus. Baubelästigung kann also auch eine anwaltliche und gerichtliche Dauerbaustelle nach sich ziehen.


Die hier enthaltenen Informationen sind unverbindliche Auskünfte. (Irrtum vorbehalten)


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