Leichter Zinsanstieg zum Jahreswechsel
Wird 2020 ein gutes Jahr für die Baufinanzierung?
Das kann sich hören lassen! Unser Zinskommentar als Podcast
Das Wichtigste in Kürze:
- Christine Lagarde, die neue Chefin der EZB, behält die Geldpolitik ihres Vorgängers bei.
- Gleichzeitig kündigt sie an, einiges anders zu machen: Zum Beispiel steht eine nachhaltig orientierte Geldpolitik im Raum.
- Im Jahr 2019 fielen die Bauzinsen dramatisch. Zum Jahreswechsel stiegen sie leicht an.
Hinweis: Blau = Verlinkte Fachbegriffe im Miniglossar am Ende des Artikels
Nachdem die Champagnerduschen getrocknet und die letzten Silvesterraketen verraucht sind, fragen sich so manche Kauf- und Bauwillige: Wie wird das Jahr 2020, wenn es um die Zinsen geht?
EZB: Alles bleibt beim Alten - zunächst
Wahrscheinlich wird sich erst mal gar nicht so viel ändern, und das, obwohl ein für die Zinswelt wichtiger Posten neu besetzt wurde. Der bei vielen Marktteilnehmern nicht sonderlich wohlgelittene Mario Draghi nahm seinen Hut und Christine Lagarde übernahm den Chefsessel bei der Europäischen Zentralbank (EZB). Am 12. Dezember 2019 leitete sie ihre erste Zinssitzung – und alle waren gespannt, was sie anders machen würde.
Auftritt der Feuerwehrfrau Europas
Christine Lagarde ist eine Art Feuerwehrfrau in Europa. Als die Finanzkrise alle überrollte, dirigierte sie das Finanzministerium in Frankreich. Als die Spitze des Internationalen Währungsfonds (IWF) ausfiel, kam Lagarde und machte einen guten Job, krempelte den IWF um und stemmte zu großen Teilen die Rettung Griechenlands. Nun ist sie Big Boss in der EZB. Oberflächlich gesehen, wird sich zunächst nicht viel ändern. Die ultralockere Geldpolitik von Vorgänger Draghi bleibt bestehen: Der Leitzins bleibt bei 0,00 Prozent, die Strafzinsen für Banken, die ihr Geld bei der EZB parken, bleiben und die Anleihenaufkäufe im Volumen von 20 Milliarden Euro behält die EZB ebenfalls im Programm.
Glaubenssätze auf dem Prüfstand
Aber unter der Oberfläche deuten sich schon einige Änderungen an. "Ich habe meinen eigenen Stil", verkündete Lagarde. Und deshalb hinterfragt sie nun auch Glaubenssätze, die bisher … einfach geglaubt wurden. Einer dieser Glaubenssätze ist das Zwei-Prozent-Ziel für die Inflation. Draghi wünschte sich stets eine Kerninflation von knapp zwei Prozent. Denn: Sinkende Preise, also eine Deflation, seien Gift für die Wirtschaft. Sie würden Investitionen abwürgen und die Entwicklung langfristig in den Keller drücken. Da die EZB es aber in so vielen Jahren nicht geschafft hat, das Inflationsziel zu erreichen, und sein Arsenal an geldpolitischen Maßnahmen bis zum Anschlag ausgereizt hat, steht natürlich die Frage im Raum: Bringt´s das noch? Oder ist vielleicht ein Wechsel der Strategie sinnvoll? Man darf, ja muss das fragen.
"EZB for Future": Wird die Zentralbank jetzt grün?
Und dann gibt es da noch das Brandthema unserer Zeit: den Klimaschutz. Deutschland einigte sich im Dezember mit Ach und Krach auf ein Klimapaket. Und auch in der Eurozone ist das Thema nicht mehr von der Agenda wegzudenken. Aber was bitte hat die EZB damit zu tun? Christine Lagarde dachte bereits als IWF-Chefin laut darüber nach: "Wenn wir jetzt nichts gegen den Klimawandel unternehmen, werden wir in 50 Jahren getoastet, geröstet und gegrillt." Und sie sagte: "Klimawandel und Umweltschutz sollten für jede Institution im Mittelpunkt stehen." Für j-e-d-e! Deshalb verwundert es nicht, wenn sie nun sanft andeutet, dass die EZB zukünftig auch das Thema Nachhaltigkeit ins Visier nehmen wird.
Sofort zückten rund 60 Nichtregierungsorganisationen und europäische Institutionen, darunter das Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung, der „Club of Rome“ und das Stockholm Resilience Centre, die digitale Feder und schrieben ihr einen offenen Brief. In dem forderten sie, dass die EZB künftig "kohlenstoffintensive Vermögenswerte schrittweise aus ihren Portfolios" streichen solle. Alles, was mit Kohle zu tun hat, solle am besten sofort verkauft werden. Die EZB als "grüne Zentralbank", die nur noch Anleihen nachhaltig wirtschaftender Unternehmen kauft? Diese Vision gefällt vielen, aber nicht allen. Noch wurde die neue Präsidentin aber nicht konkret. Wir werden sehen, wie sie ihre Rolle zukünftig ausfüllen wird.
ImmobilienScout24-Zinsbarometer: Kurzfristige Kredite legen zu
Im zweiten Monat in Folge legen die Bauzinsen* wieder zu (Stand: 02.01.2019). Vor allem die kurzfristigen Kredite mit fünf- oder zehnjähriger Zinsbindung kletterten ein gutes Stück nach oben. Die besonders kurzfristigen Darlehen über fünf Jahre stiegen gar um 0,10 Prozentpunkte auf 0,58 Prozent. Etwas weniger stark stiegen die Zinsen mit zehnjähriger Bindungsfrist: Bei ihnen ging es von 0,65 Prozent auf 0,71 Prozent.
15-jährige Darlehen verteuerten sich ebenfalls: Mit 0,99 Prozent kratzen sie wieder an der Ein-Prozent-Marke: Das ergibt ein Plus von 0,03 Prozentpunkten im Vergleich zum vergangenen Zinskommentar. Ebenfalls um 0,03 Prozentpunkte verteuern sich die Darlehen mit der 20-jährigen Zinsbindung: Für sie geht es rauf auf 1,18 Prozent.
Bilanz: 2019 war ein besonders gutes Jahr für die Baufinanzierung
Wenn Sie unseren Zinskommentar regelmäßig lesen (oder als Podcast hören), kennen Sie das Ritual schon: Zum Jahreswechsel blicken wir noch mal zurück und vergleichen den Stand des ImmobilienScout24-Zinsbarometers auf Jahresbasis. So wird recht deutlich, ob es im Jahr 2019 eher bergauf oder bergab ging, weil alle Verwerfungen im Laufe des Jahres herausgerechnet sind:
Zinsbindung | 21.12.2018 | 31.12.2019 | Veränderung in Prozentpunkten |
5 Jahre | 0,95 % | 0,58 % | -0,37 |
10 Jahre | 1,29 % | 0,71 % | -0,58 |
15 Jahre | 1,62 % | 0,99 % | -0,63 |
20 Jahre | 1,81 % | 1,18 % | -0,63 |
Betrachtet man die Endstände, so haben sich die Zinsen teilweise dramatisch verändert. Besonders die langfristigen Darlehen reduzierten sich um geradezu sensationelle 0,63 Prozentpunkte. Es ging, aufs Jahr gerechnet, überall mit den Zinsen bergab – und zwar kontinuierlich. Zur Freude der Bauherren gab es diesmal auch keine Zinshochs in den Sommermonaten. Im Herbst erreichten alle Zinsen ihren Tiefststand – und erst in den letzten beiden Monaten des Jahres stiegen die Zinsen moderat an. Ist also jetzt Panik angesagt? Halten Sie uns auch 2020 die Treue: Dann sind Sie jederzeit über die Zinsentwicklung informiert. Wir wünschen Ihnen für 2020 jedenfalls günstige Bauzinsen und ein erfolgreiches Finanzierungsprojekt!
*Hinweis: Bei den Zinsen handelt es sich um Durchschnittswerte der bei ImmobilienScout24 gelisteten Baufinanzierer zum angegebenen Stichtag. Für die Kalkulation wurden folgende Modelldaten verwendet: Angestellter, Darlehenssumme: 200.000 Euro, Beleihungsauslauf: 80 Prozent, Tilgungsrate: 3 Prozent.
Anleihenaufkaufprogramm: Eine geldpolitische Maßnahme der Europäischen Zentralbank. Sie will Banken dazu veranlassen, Darlehen an Unternehmen und Privathaushalte auszugeben, um die Konjunktur anzukurbeln. Zwischen März 2015 und Dezember 2018 kaufte die EZB in großem Umfang europäische Staats- und Unternehmensanleihen. Ab November 2019 soll das Programm wiederaufgenommen werden.
Geldpolitik: Darunter versteht man alle Maßnahmen eines Staates, die Geldversorgung und Kreditangebote der Banken zu regulieren, um wirtschaftspolitische Zwecke zu erfüllen. Dahinter steht das Ziel, den Wert des Geldes einer Volkswirtschaft stabil zu halten.
Fed: ist die Abkürzung für Federal Reserve. Damit ist die Zentral- oder Notenbank der USA gemeint.
Leitzinsen: Diese von der Zentralbank eines Landes festgelegten Zinsen geben an, zu welchen Konditionen sich Kreditinstitute bei der Noten- bzw. Zentralbank Geld leihen können. Sie sind ein wichtiges Steuerungsmittel der Geldpolitik.
Kerninflation: Ein volkswirtschaftliches Konzept, das bestimmte Güter aus der Berechnung der Inflationsrate ausklammert. Dabei handelt es sich meist um die Preisschwankungen für Lebensmittel und Produkte aus dem Energiesektor, die saisonal schwanken, aber deren Preisänderungen nicht auf die Volkswirtschaft selbst zurückzuführen sind.
Rezession: Eine Phase im Konjunkturzyklus (daneben gibt es noch Aufschwung, Boom und Depression). Man spricht üblicherweise von einer Rezession, wenn sich die Wirtschaft in zwei aufeinanderfolgenden Quartalen abschwächt oder zumindest gleichbleibt.
Irrtum vorbehalten