Was passiert, wenn der Leitzins steigt?
Das Wichtigste in Kürze
- Präsident Trump rüstet zum Handelskrieg mit Europa: Vor allem die deutschen Autohersteller könnte das schwer treffen.
- Nichts Neues von der EZB: Die Währungshüter halten nach wie vor an der Nullzinspolitik fest.
- Höhere Zinsen: die Folgen für Bauherren
- Im Mai verteuerten sich die Bauzinsen – am stärksten legten kurzfristige Kredite mit einer Zinsbindung von fünf Jahren zu.
Donald Trump zieht in den Krieg. Auch wenn es „nur“ ein Handelskrieg ist, so kann sich daraus schnell eine Spirale von wirtschaftlichen Vergeltungsaktionen entwickeln, unter der alle Beteiligten leiden müssen. Die Strafzölle auf Stahl und Aluminium treffen nicht nur die deutschen Exporteure, sondern auch die verarbeitende Industrie in den USA: Denn die müssen unter Umständen auf teurere (inländische) Produzenten zurückgreifen.
Wein trinken und Wasser predigen
Noch schlimmer als der Stahlboykott wären für Deutschland freilich die gefürchteten Strafzölle auf deutsche Autos. Die Aktienkurse der deutschen Automobilunternehmen gaben deshalb schon vorsorglich nach. "Kein Land hätte höhere absolute Verluste durch einen solchen Zoll zu befürchten als Deutschland", erklärt Gabriel Felbermayr, der Leiter des ifo-Zentrums für Außenhandel in München.
Etwas peinlich, dass Trump einmal mehr Wein trinkt und öffentlich Wasser predigt: Einerseits pöbelt er lauthals, das Deutschland die USA mit Mercedes- und BMW-Fahrzeugen „zuschütte“, andererseits sind gerade diese Marken im Fuhrpark der Trump-Familie sehr beliebt: Er selbst besitzt angeblich einen Mercedes SLR McLaren und einen Mercedes Maybach. Seine Tochter Tiffany fährt einen Audi S5 und Tochter Ivanka cruist gern mit einem Mercedes-Cabrio durch die Straßen.
Die EZB bleibt im gemütlichen Fahrwasser
Trump hat gut lachen: Die Wirtschaft der USA entwickelt sich gut und die Fed liebäugelt bereits mit weiteren Erhöhungen der Leitzinsen: Die robuste Wirtschaft und Beschäftigung geben ihr die nötigen Spielräume dafür. Die Geldpolitik der Europäischen Zentralbank (EZB), die bald ihr 20-jähriges Bestehen feiert, kann man getrost als langweilig bezeichnen. Die Leitzinsen verbleiben bei 0,00 Prozent und der Strafzins für die Einlagerung von Geld durch Geschäftsbanken bei 0,4 Prozent. Das Anleihenaufkaufprogramm im Volumen von 30 Milliarden Euro monatlich läuft voraussichtlich bis in den Herbst weiter wie bisher.
Und wie üblich hagelt es Kritik an dieser Politik. Ende Mai meldete sich der ehemalige EZB-Chefökonom Otmar Issing zu Wort und übte Kritik daran, dass die EZB mit ihrer restriktiven Geldpolitik auch Finanzpolitik betreibe und die Schulden vieler europäischer Staaten – beispielsweise Italien – künstlich niedrig halte. Finanzpolitik erlaube das Mandat der EZB aber keinesfalls.
Welche Konsequenz hätten höhere Zinsen?
Die Kritik ist ein guter Anlass, einmal darüber nachzudenken, was eigentlich passieren würde, wenn sich die Leitzinsen wieder auf den Stand von vor der Finanz- und Bankenkrise zubewegen würden. Mitte 2008 lagen sie bei 4,25 Prozent – und dann begann die Abwärtsspirale. Die aktuellen Nullzinsen sind schlecht für Sparer, weil sie fast keine Rendite erzielen. Gut sind sie für Kreditnehmer, beispielsweise Bauherren, die sagenhaft günstige Kredite für ihren Hausbau erhalten. Und Niedrigzinsen sind ebenfalls gut für Staaten, die sich für wenig Geld verschulden können.
Analysten des „Flossbach von Storch Research Institutes“ haben einmal ausgerechnet, welche Konsequenzen es hätte, wenn die Zinsen im Jahr 2025 wieder auf dem Stand von 2008 wären. Für Staaten – insbesondere hoch verschuldete wie Italien, Spanien und Portugal – wäre das ein Horrorszenario. Für Italien läge die Zinslast im Jahr 2025 dann bei mehr als 100 Milliarden Euro, das sind rund 50 Prozent mehr als heute. Die Länder Südeuropas wären zurück in der Schuldenkrise, die schon weitgehend überwunden scheint. Besonders hart treffen würde es auch Privathaushalte, die beispielsweise Kredite für den Hausbau benötigen. Bei einer Erhöhung der Zinsen würden die Kreditkosten so steigen, dass sie einen beträchtlichen Teil des Haushaltsnettoeinkommens auffressen würden (siehe Beispielrechnung im Kasten).
Höhere Zinsen: die Folgen für Bauherren
Die Rechnung zeigt, wie sich die Kosten und der Anteil der Baufinanzierung am Nettoeinkommen einer Familie verändern, wenn die Zinsen steigen. Bei einer Erhöhung der Bauzinsen von 1,5 Prozent auf fünf Prozent müsste der Bauherr in unserem Modellbeispiel statt 35 Prozent rund 70 Prozent seines Nettoeinkommens für die Finanzierung aufwenden. So bekäme er vermutlich gar keinen Kredit von seiner Bank, weil das Risiko zu hoch wäre.
Haushaltsnettoeinkommen: 3.314 Euro
Immobiliendarlehen: | 400.000 Euro |
2018
Zins: | 1,5 Prozent |
Monatsrate für Kredit: | 1.167 Euro |
Anteil der Monatsrate am Gesamteinkommen: | 35 Prozent |
2025
Zins: | 5,0 Prozent |
Monatsrate für Kredit: | 2.333 Euro |
Anteil der Monatsrate am Gesamteinkommen: | 70 Prozent |
Quelle: Flossbach von Storch Research Institute
ImmobilienScout24-Zinsbarometer: Alles wird teurer
Noch finden Bauherren aber paradiesische Zustände vor, denn die Baukredite sind nach wie vor günstig. Trotzdem legten alle Baukredite des ImmobilienScout24-Zinsbarometers* seit dem letzten Zinsbericht zu (siehe Diagramm, Stand 26.05.2018).
Die Kredite mit zehnjähriger Zinsbindung kletterten um 0,04 Prozent auf 1,34 Prozent. Noch stärker schossen die kurzfristigen Kredite mit fünfjähriger Zinsbindung nach oben: Sie notierten bei genau 1,10 Prozent und legten damit um 0,10 Prozent zu. Leicht nach oben ging es für die 15-jährigen Kredite: Sie liegen aktuell bei 1,69 Prozent. Die Zinsen mit einer Zinsfestschreibung von 20 Jahren haben es ihnen nachgemacht und sich ebenfalls um 0,04 Prozent auf 1,89 Prozent verteuert.
*Hinweis: Bei den Zinsen handelt es sich um Durchschnittswerte der bei ImmobilienScout24 gelisteten Baufinanzierer zum angegebenen Stichtag. Für die Kalkulation wurden folgende Modelldaten verwendet: Angestellter, Darlehenssumme: 200.000 Euro, Beleihungsauslauf: 80 Prozent, Tilgungsrate: 3 Prozent.
Hinweis: Blau = Verlinkte Fachbegriffe im Miniglossar am Ende des Artikels
Anleihenaufkaufprogramm: Seit März 2015 kauft die EZB in großem Umfang europäische Staats- und Unternehmensanleihen. Sie will Banken dazu veranlassen, Darlehen an Unternehmen und Privathaushalte auszugeben, um die Konjunktur anzukurbeln.
Fed ist die Abkürzung für Federal Reserve. Damit ist die Zentral- oder Notenbank der USA gemeint.
Geldpolitik Darunter versteht man alle Maßnahmen eines Staates, die Geldversorgung und Kreditangebote der Banken zu regulieren, um wirtschaftspolitische Zwecke zu erfüllen. Dahinter steht das Ziel, den Wert des Geldes einer Volkswirtschaft stabil zu halten.
Kerninflation: Ein volkswirtschaftliches Konzept, das bestimmte Güter aus der Berechnung der Inflationsrate ausklammert. Dabei handelt es sich meist um die Preisschwankungen für Lebensmittel und Produkte aus dem Energiesektor, die saisonal schwanken, aber deren Preisänderungen nicht auf die Volkswirtschaft selbst zurückzuführen sind.
Leitzinsen Diese von der Zentralbank eines Landes festgelegten Zinsen geben an, zu welchen Konditionen sich Kreditinstitute bei der Noten- bzw. Zentralbank Geld leihen können. Sie sind ein wichtiges Steuerungsmittel der Geldpolitik.
Irrtum vorbehalten