Es geht noch niedriger
Der Sinkflug der Bauzinsen setzt sich weiter fort
Das kann sich hören lassen! Unser Zinskommentar als Podcast
Das Wichtigste in Kürze:
- Die EZB kündigt an, die Leitzinsen weiter zu senken, sollte die Inflation so niedrig bleiben. Sie reagiert damit auch auf die Abschwächung der Weltwirtschaft.
- Christine Lagarde, derzeit noch Chefin des IWF, tritt im November die Nachfolge von EZB-Chef Mario Draghi an.
- Im Juli sind die Bauzinsen weiter gesunken – bei zehnjähriger Zinsbindung sogar erneut im zweistelligen Nachkommabereich.
Hinweis: Blau = Verlinkte Fachbegriffe im Miniglossar am Ende des Artikels
Ging es tatsächlich noch billiger? Konnten die Bauzinsen nach den Tiefstständen des Vormonats noch weiter sinken? Sie konnten! Um mehr als 20 Prozent gingen die Kosten für Darlehen mit zehnjähriger Zinsbindung innerhalb von nur zwei Monaten zurück – und das von einem ohnehin schon äußerst niedrigen Wert. Wer aktuell eine Baufinanzierung oder Anschlussfinanzierung abschließen möchte, findet Bedingungen vor, wie sie besser kaum sein könnten. Mehr dazu am Ende dieses Zinskommentars.
Weitere Lockerung der Geldpolitik in Sicht
Wenn es nach der Europäischen Zentralbank (EZB) geht, wird sich daran auf absehbare Zeit nichts ändern. Auf ihrer monatlichen Sitzung beließ es der Rat beim aktuellen Zinsniveau, das schon seit 2016 Bestand hat. Der Leitzins bleibt unverändert bei 0,00 Prozent und der Zinssatz auf Einlagen von Geschäftsbanken bei der EZB bei -0,4 Prozent. Damit müssen Banken weiterhin Strafzinsen zahlen, wenn sie bei der EZB überschüssige Gelder parken. Auch der Zins für kurzfristiges Zentralbankgeld, das Banken über Nacht bei der EZB leihen, bleibt bei 0,25 Prozent.
Zugleich betonte Mario Draghi, Chef der EZB, dass dieses Zinsniveau noch bis ins kommende Jahr hinein stabil bleiben werde – oder sogar noch gesenkt werden könnte. Analysten hatten im Vorfeld der Sitzung spekuliert, ob die Zentralbanker bereits jetzt die Zinsen weiter senken könnten, vor allem den Strafzins für die Banken.
Der Hintergrund: Die Inflationsrate liegt weiter bei 1,3 Prozent, soll aber im Sinne der wirtschaftlichen Entwicklung bei 2 Prozent liegen. Das könnte die EZB mit einer weiteren Lockerung der Geldpolitik, also einer Absenkung der Zinsen, erreichen. Zudem zeigen sich deutliche Tendenzen für eine Abschwächung der Weltwirtschaft. Kein Wunder: Die Handelskonflikte, die vor allem US-Präsident Donald Trump anheizt, setzen der Konjunktur zu. Und so zeigt der ifo-Geschäftsklimaindex für die deutsche Industrie die schlechteste Stimmung seit Februar 2009.
Vor allem in Industrieländern werde die Situation „schlimmer und schlimmer", warnte Draghi und kündigte „signifikante geldpolitische Impulse" an. Er bekräftigte auch, dass die Notenbank alle geldpolitischen Instrumente anpassen würde, sobald es notwendig sei.
Wechsel an der EZB-Spitze
Wann es endlich zu einer Zinswende kommt, ist also weiterhin unklar. Kreditnehmer befürchten sie, Sparer sehnen sie herbei. Aber die Frage, wann und wie die EZB die Zinsen wieder einmal anhebt, muss Mario Draghi nicht mehr beantworten. Seine Zeit an der Spitze der Zentralbank läuft Ende Oktober nach acht Jahren ab – und seine Nachfolge übernimmt Christine Lagarde.
Lagarde, derzeit noch Chefin des Internationalen Währungsfonds (IWF), bekam reichlich Vorschusslorbeeren vom aktuellen Amtsinhaber: „Sie wird eine ausgezeichnete EZB-Präsidentin sein", sagte Draghi. Tatsächlich ist Lagardes Kompetenz unbestritten, ebenso der Ruf der „Grande Dame“ der Finanzwelt als gut vernetzte und geschickte Verhandlerin.
Dass ihre Nominierung in Deutschland trotzdem nicht auf ungeteilte Begeisterung stieß, liegt an der Personalie Jens Weidmann. Der Chef der Deutschen Bundesbank galt ebenfalls als aussichtsreicher Kandidat. Er vertritt eine deutlich straffere Geldpolitik, hierzulande traditionell beliebter. Aber nachdem sich die Regierungschefs der EU auf Ursula von der Leyen als Kommisionspräsidentin geeinigt hatten, war Weidmann aus Gründen des Ämter-Proporzes in der Gemeinschaft nicht mehr durchsetzbar.
Fed-Chef Powell in der Falle
Jerome Powell, Chef der amerikanischen Notenbank Fed, stand jüngst vor einer schwierigen Entscheidung. US-Präsident Trump hatte ihn in seiner unnachahmlichen Art als „dickköpfiges Kind“ beschimpft und getwittert, „dieser Typ“ sei ohne ihn, Trump, ja ein Niemand. Der Grund: Powell hatte sich über Monate geweigert, die Zinsen zu senken. Jetzt hat er es aber doch getan – nicht auf Geheiß von Trump, sondern weil die Verfassung der amerikanischen Wirtschaft und die Risiken der Weltkonjunktur das nötig machen. Man dürfe nicht „schlechte Politik" machen, um die Unabhängigkeit der Fed unter Beweis zu stellen, soll Powell gesagt haben. Dass Trump nun trotzdem triumphiert, muss der Notenbanker ertragen.
ImmobilienScout24-Zinsbarometer: Tiefstand!
Wer die Entwicklung der Bauzinsen in diesem Sommer verfolgt, reibt sich verwundert die Augen: Können sie tatsächlich noch weiter gesunken sein? Ja, das können sie (Stand 30.07.2019). Der Rückgang bei den kurzfristigen Bauzinsen über fünf Jahre ist mit 0,05 Prozentpunkten auf jetzt 0,55 Prozent vergleichsweise gering.
Ein völlig anderes Bild bei den Krediten über zehn Jahre: Hier ging es den zweiten Monat deutlich nach unten, von 0,91 Prozent im letzten Zinskommentar auf aktuell 0,80 Prozent – also um stattliche 0,11 Prozentpunkte. Ähnlich stark die Senkung bei den 15-jährigen Krediten: um 0,12 Prozentpunkte auf 1,12 Prozent. Bei den Krediten mit 20-jähriger Zinsbindung sanken die Zinsen um 0,07 Prozentpunkte auf 1,37 Prozent.
*Hinweis: Bei den Zinsen handelt es sich um Durchschnittswerte der bei ImmobilienScout24 gelisteten Baufinanzierer zum angegebenen Stichtag. Für die Kalkulation wurden folgende Modelldaten verwendet: Angestellter, Darlehenssumme: 200.000 Euro, Beleihungsauslauf: 80 Prozent, Tilgungsrate: 3 Prozent.
Geldpolitik Darunter versteht man alle Maßnahmen eines Staates, die Geldversorgung und Kreditangebote der Banken zu regulieren, um wirtschaftspolitische Zwecke zu erfüllen. Dahinter steht das Ziel, den Wert des Geldes einer Volkswirtschaft stabil zu halten.
Fed: ist die Abkürzung für Federal Reserve. Damit ist die Zentral- oder Notenbank der USA gemeint.
Leitzinsen: Diese von der Zentralbank eines Landes festgelegten Zinsen geben an, zu welchen Konditionen sich Kreditinstitute bei der Noten- bzw. Zentralbank Geld leihen können. Sie sind ein wichtiges Steuerungsmittel der Geldpolitik.
IWF: Die Aufgabe des Internationalen Währungsfonds (IWF) ist es, die Stabilität des internationalen Finanzsystems zu stärken, die internationale Zusammenarbeit in der Währungspolitik zu fördern, das Wachstum des Welthandels zu erleichtern sowie seinen Mitgliedern in Währungs- und Finanzkrisen durch Kredite zu helfen.
Irrtum vorbehalten