Zinskommentar Mai 2018
Keine Zinssprünge im April
Das Konjunkturklima ist eingetrübt, die Baubranche boomt.
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Das Wichtigste in Kürze
- Macrons Staatsbesuch bei Donald Trump war ein Fest der Freundschaft – vielleicht profitiert auch die EU davon, falls Trump seine wirtschaftliche Abschottung überdenkt.
- Die EZB ließ den April-Zinstermin ungenutzt verstreichen: An der aktuellen Niedrigzinspolitik ändert sich nichts.
- Der Ifo-Geschäftsklimaindex verläuft im April zum fünften Mal in Folge negativ, einzig in der Baubranche brummt die Konjunktur.
Hinweis: Blau = Verlinkte Fachbegriffe im Miniglossar am Ende des Artikels
Wissen Sie was „Bromance“ bedeutet? Das Kofferwort aus den englischen Wörtern „Brother“ und „Romance“ bezeichnet eine innige Männerfreundschaft. Ende April wurde die Welt Zeuge einer solchen. Was waren das für zarte Momente zwischen dem feinen, kultivierten französischen Präsidenten Emmanuel Macron und dem von seinen Kritikern oft als plump beschriebenen US-Präsidenten Donald Trump!
Gar drollige Szenen spielten sich da ab und gaben den Fotografen reichlich Futter: Den herzlichen Händedruck der beiden Präsidenten toppte Macron noch mit einem Küsschen. Überhaupt wurde während der drei Tage Staatsbesuch geherzt, geschmust, umarmt und Händchen gehalten, was das Zeug hielt. Zärtlich wischte Trump Macron die Staubkörner vom Revers, beim gemeinsamen Bäumchenpflanzen im Garten des Weißen Hauses herrscht eitel Sonnenschein. Und selbst beim Rundgang im Oval Office zeigt sich Macron interessiert an den tollen Telefonen, die auf Trumps Schreibtisch stehen. Momente für die Ewigkeit.
Macron ist ein schlauer Fuchs. Erst hätschelt er Trump, verwöhnt dessen Ego, doch dann kam sein Auftritt vor dem Kongress. In seiner Rede hier war er wieder ganz Europäer und es blitzte auch so eine Art erzieherischer Auftrag heraus: mit Lektionen, die sich klar gegen seinen „best buddy“ Trump richteten. Die wirtschaftliche und politische Abschottungspolitik der USA: ein Irrweg. Die mögliche Kündigung des Atomabkommens mit dem Iran: gefährlich. Der Ausstieg aus dem Klimaabkommen: unverzeihlich. Als er dann auch noch Trumps Wahlkampfslogan kaperte und zu einem „Make our Planet great again“ („Lassen Sie unseren Planeten wieder groß werden!“) abwandelte, hielt nichts die Kongressmitglieder mehr auf ihren Sitzen. Es gab Standing Ovations und immer wieder spontanen Applaus. Vielleicht konnten Macrons Worte etwas bewirken. Die EU und auch Deutschland wären ihm dankbar, denn die Gefahr eines Handelskriegs mit den USA steht nach wie vor im Raum.
Am 26. April verlief die Zinssitzung der Europäischen Zentralbank (EZB) wie erwartet: keine besonderen Vorkommnisse. Die Leitzinsen verbleiben bei 0,00 Prozent und der Strafzins für die Einlagerung von Geld durch Geschäftsbanken bei 0,4 Prozent. Der Zielwert der Kerninflation von knapp zwei Prozent rückt nach wie vor in weite Ferne. Das Schreckgespenst eines Handelskriegs mit den USA schwebt natürlich über den Entscheidungen, auch die Befürchtungen, dass sich die Konjunktur im Euroraum abschwächen könnte. Das Anleihenaufkaufprogramm im Volumen von 30 Milliarden Euro monatlich wird ebenfalls weitergeführt. Draghi ließ sich auch nicht entlocken, wie sein nächster Schritt aussehen könnte – und wann er gewillt wäre, ihn zu gehen. Also alles beim Alten. Abgehakt. Strich drunter.
Die angesprochene Konjunkturdelle zeigt sich auch in Deutschland. Die Stimmung in der deutschen Wirtschaft trübt sich weiter ein. Das zeigt der Ifo-Geschäftsklimaindex im April sehr deutlich. Bereits zum fünften Mal in Folge beurteilen die Akteure der deutschen Wirtschaft die Geschäftsentwicklung schlechter als im Vormonat. Trotzdem ist das Niveau immer noch sehr hoch. Im verarbeitenden Gewerbe, im Dienstleistungssektor und im Handel ist der Geschäftsklimaindex gesunken. Gilt das für alle Branchen? Nein, keinesfalls. Im Bauhauptgewerbe erreichte er ein neues Rekordhoch: „Die Baufirmen korrigierten ihre Erwartungen merklich nach oben, während sie ihre aktuelle Lage nahezu unverändert einschätzten“, vermerkt das Ifo-Institut.
Was genau ist der Ifo-Geschäftsklimaindex?
Wie entwickelt sich die Wirtschaft, befinden wir uns an der Schwelle einer Konjunktur oder einer Rezession? Diese Frage möchte der Ifo-Geschäftsklimaindex beantworten. Namensgebend ist das Institut für Wirtschaftsforschung (Ifo) in München. Der Index wird monatlich veröffentlicht und gehört zu den wichtigsten Hinweisgebern für Wirtschaft, Politik und Börse.
Rund 9.000 deutsche Unternehmen werden für den Index regelmäßig befragt. Dabei sollen sie die aktuelle Lage ihres Geschäfts einschätzen – und zwar mit Begriffen wie „gut“, „befriedigend“ oder „schlecht“. Der Blick in die Zukunft soll anschließend mit „besser“, „gleich“ oder „schlechter“ beurteilt werden. Diese Aussagen beruhen zum Beispiel auf Bestellungen und der allgemeinen Auftragslage. Im Ifo-Institut werden die Bewertungen zusammengezählt, nach Branchen gewichtet und ein Mittelwert gebildet. Seit April 2018 ist auch erstmals die Dienstleistungsbranche dabei.
Vergleiche mit den Vormonaten ergeben eine Entwicklung: Geht der Index beispielsweise mehrere Monate nacheinander nach oben, spricht das für eine positive Konjunkturentwicklung.
Dass die EZB ihre Niedrigzinspolitik weiter fortsetzen würde, hat der Markt bereits erwartet. In dieser Hinsicht zeigt sich Mario Draghi als sehr verlässlich – was aus Sicht der Finanzakteure eine gute Nachricht ist.
Die Baukredite des ImmobilienScout24-Zinsbarometers* haben seit dem letzten Zinskommentar eine stabile Seitwärtsbewegung hingelegt. Die Kredite mit zehnjähriger Zinsbindung blieben konstant bei 1,30 Prozent. Das gleiche gilt auch für die kurzfristigen Kredite mit fünfjähriger Zinsbindung: Sie notierten bei genau 1,02 Prozent. 15-jährige Kredite liegen wie im Vormonat bei 1,66 Prozent. Die Zinsen mit einer Zinsfestschreibung von 20 Jahren haben sich sehr leicht auf 1,88 Prozent verteuert.
*Hinweis: Bei den Zinsen handelt es sich um Durchschnittswerte der bei ImmobilienScout24 gelisteten Baufinanzierer zum angegebenen Stichtag. Für die Kalkulation wurden folgende Modelldaten verwendet: Angestellter, Darlehenssumme: 200.000 Euro, Beleihungsauslauf: 80 Prozent, Tilgungsrate: 3 Prozent.
Anleihenaufkaufprogramm: Seit März 2015 kauft die EZB in großem Umfang europäische Staats- und Unternehmensanleihen. Sie will Banken dazu veranlassen, Darlehen an Unternehmen und Privathaushalte auszugeben, um die Konjunktur anzukurbeln.
Geldpolitik Darunter versteht man alle Maßnahmen eines Staates, die Geldversorgung und Kreditangebote der Banken zu regulieren, um wirtschaftspolitische Zwecke zu erfüllen. Dahinter steht das Ziel, den Wert des Geldes einer Volkswirtschaft stabil zu halten.
Kerninflation: Ein volkswirtschaftliches Konzept, das bestimmte Güter aus der Berechnung der Inflationsrate ausklammert. Dabei handelt es sich meist um die Preisschwankungen für Lebensmittel und Produkte aus dem Energiesektor, die saisonal schwanken, aber deren Preisänderungen nicht auf die Volkswirtschaft selbst zurückzuführen sind.
Leitzinsen Diese von der Zentralbank eines Landes festgelegten Zinsen geben an, zu welchen Konditionen sich Kreditinstitute bei der Noten- bzw. Zentralbank Geld leihen können. Sie sind ein wichtiges Steuerungsmittel der Geldpolitik.
Seitwärtsbewegung: Von Seitwärtsbewegungen spricht man, wenn sich der Kurs oder die Zinsen weder nach oben noch nach unten bewegen, sondern sich gleichmäßig entwickeln.
Irrtum vorbehalten