Brexit-Farce und EZB-Wechsel
Bauzinsen beenden Abwärtsspirale
Das kann sich hören lassen! Unser Zinskommentar als Podcast
Das Wichtigste in Kürze:
- Mario Draghis letzte Sitzung der EZB endete ohne Paukenschlag: Die Zinsen bleiben bei null Prozent.
- Die deutsche Exportwirtschat leidet weiter unter Brexit und Handelskrisen.
- Seitwärtsbewegung: Die Bauzinsen beendeten ihre Abwärtsspirale und hielten das Niveau des Vormonats.
Hinweis: Blau = Verlinkte Fachbegriffe im Miniglossar am Ende des Artikels
Die Brexit-Farce
„Oooorder!“ Der Ruf des britischen Parlamentspräsidenten John Bercow ist zur Berühmtheit geworden – und zum Hintergrundgeklingel der Brexit-Farce, die in den vergangenen Wochen immer neue skurrile Züge annahm. Nur zwei der Episoden seien erwähnt: Nachdem Premierminister Boris Johnson seinen mit der EU ausgehandelten Brexit-Deal nicht durch die Abstimmung im Parlament bringen konnte, legte er ihn bei einer weiteren Abstimmung einfach noch mal vor. Ermüdungstaktik? Nicht mit John Bercow: Er hielt sich an die Konventionen des Parlaments und ließ die zweite Abstimmung einfach nicht durchgehen. Also wurde wieder aufgeschoben.
Johnson will seinen Willen durchsetzen
Zuvor wurde der Premier dazu verdonnert, in einem Brief an Brüssel um Aufschub für den EU-Austritt zu bitten. Er wolle doch lieber "tot im Graben" liegen, als das zu tun, hatte Johnson zuvor geäußert. Und was tat er dann: Er schrieb einen Brief ohne Unterschrift mit Bitte um Verlängerung – und schickte gleich zwei weitere Briefe nach, in denen er mitteilte, dass er am Brexit am 31. Oktober festhalten wolle. Diesmal mit freundlicher Anrede und Unterschrift. Ein Schelm.
Der Außenhandel ist unsere Konjunkturbremse
Das Tauziehen um den Brexit gehört zu den Sargnägeln der Konjunktur in der Eurozone. Nicht nur die Unternehmen, die auf der Insel Geschäfte machen, sind betroffen. Sondern beispielsweise auch ihre Zulieferer. Auch der Handelskrieg der USA mit China (und einigen anderen Ländern) fordert seine Opfer – natürlich auch in den USA selbst. Hier gehen die Investitionen massiv zurück. Die Fed hatte im September den Leitzins bereits auf 1,75 bis 2,0 Prozent gesenkt und ihr Chef Jerome Powell scheint wild entschlossen, weiter runter zu gehen, wenn es sein muss.
Die deutschen Exporte haben sich im August um fast vier Prozent im Vergleich zum Vorjahr verschlechtert. Der sonst so verlässliche deutsche Export schwächelt und ist deshalb für die deutsche Konjunktur besonders gefährlich. Im Herbstgutachten der Wirtschaftsforscher heißt es: "Die Industrie befindet sich in der Rezession, ihre Produktion ist seit gut eineinhalb Jahren rückläufig, was maßgeblich für die konjunkturelle Schwäche ist."
Mister "alles, was nötig ist" verlässt die EZB
"Whatever it takes", sang die US-Rockband Imagine Dragons. Der Songtitel war gewissermaßen auch das Motto des scheidenden EZB-Chefs Mario Draghi. Was immer nötig ist – so hat Draghi die lockere Geldpolitik vorangetrieben. Manche glauben, er hat es übertrieben. Dazu gehören mehrere Ex-Notenbanker, die Draghis Agenda in kürzlich in einem Brief an ihn kritisierten. Unter ihnen: Jürgen Stark und Otmar Issing, die früher selbst im EZB-Direktorium saßen. Die ultralockere Geldpolitik betrachten sie schon länger mit Argwohn: Die Geldspritzen über das Anleihenaufkaufprogramm, die Fixierung auf eine Kerninflation von knapp unter zwei Prozent, günstigere Kredite an schwache Banken: All das sei Humbug. Ob die neue EZB-Chefin Christine Lagarde es anders macht? Ab Anfang November wissen wir mehr.
Sag' zum Abschied leise "Arrivederci"
Auf seiner letzte EZB-Sitzung am 24. Oktober 2019 blieb Draghi seiner Linie treu: Es gibt keine Änderungen an der bisherigen Geldpolitik der EZB. Der Leitzins bleibt unverändert bei 0,00 Prozent und der Zinssatz auf Einlagen von Geschäftsbanken bei der EZB bei -0,5 Prozent. Letzterer wurde erst im September um 0,1 Prozentpunkte (von -0,4 Prozent) verschärft. Auch bekräftigte die EZB die Absicht, ab November das Anleihenaufkaufprogramm wieder anlaufen zu lassen – im Umfang von zunächst 20 Milliarden Euro pro Monat.
ImmobilienScout24-Zinsbarometer: Es geht seitwärts!
Der Herbst kann ja eine recht chillige Jahreszeit sein. Auch bei den Zinsen: Sie stoppen im ImmobilienScout24-Zinsbarometer* ihren Abwärtsflug und bewegen sich seitlich. Soll heißen: Die Veränderungen fallen eher sachte aus. Die kurzfristigen Darlehen über fünf Jahre verändern sich im Vergleich zum letzten Zinskommentar überhaupt nicht: Sie bleiben seit Tagen wie festgetackert bei 0,45 Prozent. Dasselbe gilt auch für die 10-Jahres-Darlehen: Es ging immer mal wieder einen 0,01 Prozentpunkt hoch und runter, im Ergebnis verharren sie aber bei 0,65 Prozent.
Bei den 15-jährigen Krediten ging es gerade einmal um 0,01 Prozentpunkte abwärts, auf 0,92 Prozent. Genauso auch bei den Bauzinsen mit der langen 20-jährigen Zinsbindungsfrist: Sie verbilligten sich um 0,01 Prozentpunkte auf 1,09 Prozent.
*Hinweis: Bei den Zinsen handelt es sich um Durchschnittswerte der bei ImmobilienScout24 gelisteten Baufinanzierer zum angegebenen Stichtag. Für die Kalkulation wurden folgende Modelldaten verwendet: Angestellter, Darlehenssumme: 200.000 Euro, Beleihungsauslauf: 80 Prozent, Tilgungsrate: 3 Prozent.
Anleihenaufkaufprogramm: Eine geldpolitische Maßnahme der Europäischen Zentralbank. Sie will Banken dazu veranlassen, Darlehen an Unternehmen und Privathaushalte auszugeben, um die Konjunktur anzukurbeln. Zwischen März 2015 und Dezember 2018 kaufte die EZB in großem Umfang europäische Staats- und Unternehmensanleihen. Ab November 2019 soll das Programm wiederaufgenommen werden.
Geldpolitik: Darunter versteht man alle Maßnahmen eines Staates, die Geldversorgung und Kreditangebote der Banken zu regulieren, um wirtschaftspolitische Zwecke zu erfüllen. Dahinter steht das Ziel, den Wert des Geldes einer Volkswirtschaft stabil zu halten.
Fed: ist die Abkürzung für Federal Reserve. Damit ist die Zentral- oder Notenbank der USA gemeint.
Leitzinsen: Diese von der Zentralbank eines Landes festgelegten Zinsen geben an, zu welchen Konditionen sich Kreditinstitute bei der Noten- bzw. Zentralbank Geld leihen können. Sie sind ein wichtiges Steuerungsmittel der Geldpolitik.
Kerninflation: Ein volkswirtschaftliches Konzept, das bestimmte Güter aus der Berechnung der Inflationsrate ausklammert. Dabei handelt es sich meist um die Preisschwankungen für Lebensmittel und Produkte aus dem Energiesektor, die saisonal schwanken, aber deren Preisänderungen nicht auf die Volkswirtschaft selbst zurückzuführen sind.
Rezession: Eine Phase im Konjunkturzyklus (daneben gibt es noch Aufschwung, Boom und Depression). Man spricht üblicherweise von einer Rezession, wenn sich die Wirtschaft in zwei aufeinanderfolgenden Quartalen abschwächt oder zumindest gleichbleibt.
Irrtum vorbehalten