Sind mündliche Absprachen rechtlich bindend?
Veröffentlicht am 17. Mai 2021
Vorab mündlich besprochen, aber nach Vertragsabschluss nicht eingelöst. Darf sich ein Vermieter auf die unterschriebene Vollständigkeitsklausel berufen und Absprachen ignorieren? Die Streitfrage schaffte es bis zum BGH.
Wie passen die Formulierungen “mündliche Nebenabreden zu diesem Vertrag bestehen nicht“ und “... frisch renoviert wie abgesprochen” in einem Gewerbemietvertrag zusammen? Diese Frage hatte kürzlich der Bundesgerichtshof zu klären. Die Mieterin von Geschäftsräumen in einem historischen Postgebäude hatte ihre Miete wegen verschiedener Mängel zu keinem Zeitpunkt vollständig bezahlt. Sie monierte unter anderem, dass der Vermieter entgegen einer mündlichen Absprache die Fenster nicht mit einer zusätzlichen Verglasung ausgestattet habe.
Der Vermieter versuchte die Mietrückstände einzuklagen und durchlief dabei mehrere Instanzen. Schließlich klärte die BGH-Rechtsprechung den scheinbaren Widerspruch zwischen Vollständigkeitsklausel und vor Vertragsabschluss individuell ausgehandelter Vereinbarungen wie folgt: Einer Vollständigkeitsklausel kann nicht entnommen werden, dass die Absprachen der Parteien aus dem Stadium der Vertragsverhandlungen keine Geltung mehr beanspruchen dürften. Vielmehr müsse der Mieterin eingeräumt werden, die von ihr behauptete mündliche Vereinbarung zu beweisen.
Die sogenannten Vollständigkeitsklauseln bestätigen lediglich die Tatsache, dass der schriftliche Vertrag alle zwischen den Parteien vereinbarten Regelungen zum Vertragsgegenstand enthält. Doch auch nicht vertraglich festgelegte Vereinbarungen können rechtswirksam sein. Das zuständige Gericht muss nun der Frage nachgehen, ob der Vermieter vor Vertragsabschluss zugesagt hatte, die einfachverglasten durch doppelverglaste Fenster auszutauschen.
(BGH, Urteil v. 3.3.2021, XII ZR 92/19)
Die hier enthaltenen Informationen sind unverbindliche Auskünfte (Irrtum vorbehalten).