Von Tauben und Falken
Zinsen Juli 2017: Die aktuellen Entwicklungen am Finanzmarkt lohnen sich für Baufinanzierer:
Mit den optimalen Kreditkonditionen können sie sich die niedrigen Bauzinsen langfristig sichern.
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Das Wichtigste in Kürze:
- Die amerikanische Notenbank Fed erhöht die US-Leitzinsen auf 1,00 bis 1,25 Prozent.
- Die Europäische Zentralbank verharrt bei ihrer Nullzinspolitik.
- Die Baufinanzierungszinsen sind leicht gesunken.
- Für Baufinanzierer: Hohe Tilgung und langfristige Zinsbindung sichern gute Konditionen.
Hinweis: Blau = Verlinkte Fachbegriffe im Miniglossar am Ende des Artikels
Während die amerikanische Notenbank die Leitzinsen zum zweiten Mal im Jahr 2017 anhebt, verharrt die Europäische Zentralbank (EZB) bei ihrer Nullzinspolitik. Das treibt nicht nur Sparer, sondern auch die Bausparkassen zur Verzweiflung. Baufinanzierer könne sich jedoch über weiterhin niedrige Zinsen freuen.
Was haben Falken und Tauben mit Zinspolitik zu tun? In der Finanzbranche gibt es allerlei drollige Vergleiche und Redewendungen. Jeder, der sich mit der Börse beschäftigt, kennt ja Bulle und Bär. Ähnlich steht es mit den Falken und Tauben (siehe Kasten). Solche Tierchen haben einen erstaunlichen Wandlungsdrang: So hat die Chefin der US-Notenbank Federal Reserve (Fed), Janet Yellen, eine 180-Grad-Drehung vollzogen: von der sanften Taube zum jetzt angriffslustigen Falken. Soll heißen: Anfangs hielt sie die Zinsen niedrig, in letzter Zeit dreht sie immer stärker an der Zinsschraube.
Falken und Tauben der Zinspolitik
Mit diesen „tierischen“ Begriffen werden Akteure der Geldpolitik belegt. Beide Vergleichswörter stehen für gegensätzliche Verhaltensweisen bzw. Strategien. Tauben (engl. „Doves“) betreiben eine expansive Geldpolitik. Das bedeutet, sie wollen viel Geld in die Wirtschaft pumpen, um sie zu stimulieren. Tauben sorgen deshalb für geringe Leitzinsen, sie agieren „dovish“. Falken (engl. „Hawks“) stehen für eine restriktive Geldpolitik: Weniger Geld im Umlauf soll die Inflation niedrig halten. Daher erhöhen sie die Leitzinsen: Sie agieren „hawkish“.
Wen wundert's also, dass die Fed Mitte Juni eine weitere Erhöhung der Leitzinsen bekannt gab: auf eine Spanne von 1,00 bis 1,25 Prozent. Weitere Anhebungen dieses Zinssatzes lässt die Fed offen, Experten rechnen aber damit, dass die nächste Zinsanhebung noch 2017 kommen wird und das langfristige Ziel bei 3,0 Prozent liegt. Yellen handelte sich mit ihrer Geldpolitik nun auch den Zorn von mehr als 20 US-Ökonomen ein, die von ihr forderten, die Zinsen niedrig zu halten. Sie befürchten, die Zinserhöhungen würden die eher langsam wachsende US-Wirtschaft abwürgen.
Yellen wird dafür kritisiert, was sich viele in Europa wünschen: eine Geldpolitik, die Mut zu höheren Zinsen hat. Das ist mit der EZB allerdings derzeit nicht zu machen. Ihr Chef Mario Draghi ist eine Taube: Eine Anhebung des Leitzinses kommt für die EZB aktuell nicht infrage. Immerhin scheint auch eine weitere Senkung vom Tisch zu sein: Das war bei der vorletzten Sitzung der EZB noch im Gespräch, bei der jüngsten will davon keiner mehr etwas wissen. Die Inflationsrate in Deutschland lag im Mai bei 1,5 Prozent bei einer Kerninflation von 1,0 Prozent (Quelle: Eurostat). Die angepeilten 2,0 Prozent sind also weiterhin nicht erreicht.
Sparer maulen angesichts des deprimierenden Zinstiefs. Und eine einstmals gut aufgestellte Branche gerät dabei in arge Schwierigkeiten: die Bausparkassen. „Solange die Niedrigzinsphase anhält, haben die Kassen ein massives Problem, das ihr klassisches Geschäftsmodell bedroht“, analysiert Hans-Peter Burghof von der Universität Hohenheim. Der Professor vom Lehrstuhl für Bankwirtschaft und Finanzdienstleistungen hat zahlreiche Gutachten über Bausparkassen verfasst. Die Geldpolitik der EZB sorgt dafür, dass immer weniger Bausparkunden ihre Darlehen abfordern, sie stattdessen lieber auf dem Bausparkonto stehen lassen, weil sie dort eine höhere Verzinsung als bei andere Kreditinstituten erhalten. Das ist den Bausparkassen ein Dorn im Auge, weil sie sich nicht entsprechend refinanzieren können. Im Februar 2017 erstritten sie zwar einen Erfolg vorm Bundesgerichtshof, der ihnen die Kündigung von bestimmten Altverträgen erlaubt (ImmobilienScout24 berichtete), aber „erst wenn die Niedrigzinsphase vorbei ist, dürfen die Bausparkassen wieder aufatmen“, betont Burghof in einem Interview mit der Deutschen Presseagentur.
Auch wenn viele Experten einen Anstieg der Baufinanzierungszinsen erwarten, ist davon derzeit und auch kurzfristig nichts zu spüren. Die Seitwärtsbewegung der Zinsen setzt sich also auch weiterhin fort. Dieses Bild zeichnet auch das ImmobilienScout24-Zinsbarometer* (siehe Diagramm). Die Zinsen für Darlehen bei einer 10-jährigen Zinsbindung (Stichtag: 05.07.2017) sind mit 1,22 Prozent auf demselben Stand wie bei unserem letzten Zinskommentar. Darlehen mit 20-jähriger Bindungsfrist haben sich leicht verbilligt: von 1,89 Prozent auf 1,88 Prozent. Darlehen mit der kurzen Fünfjahresbindung hatten ihren Höchstwert mit 1,00 Prozent im April erreicht, jetzt liegen sie bei 0,96 Prozent.
Derzeit herrscht noch eine große Ruhe. Der Verzicht auf weitere Zinssenkungen der EZB könnte aber darauf hindeuten, dass wir mittelfristig mit höheren Leitzinsen rechnen müssen. Diese werden auch die Baufinanzierungszinsen beeinflussen. Wer jetzt seine Baufinanzierung plant, sollte daher auf Sicherheit setzen: Hohe Anfangstilgungsraten und langfristige Zinsbindung sind die Mittel der Wahl, ergänzt um flexible Optionen für Sondertilgungen. Wer seinen Kredit schnell bedient, braucht sich gar nicht erst mit schlechteren Konditionen bei der Anschlussfinanzierung auseinanderzusetzen.
*Hinweis: Bei den Zinsen handelt es sich um Durchschnittswerte der bei ImmobilienScout24 gelisteten Baufinanzierer zum angegebenen Stichtag. Für die Kalkulation wurden folgende Modelldaten verwendet: Angestellter, Darlehenssumme: 200.000 Euro, Beleihungsauslauf: 80 Prozent, Tilgungsrate: 3 Prozent.
Bulle Und Bär sind Umschreibungen für die Stimmung am Aktienmarkt. Der Bär steht für fallende, der Bulle für steigende Kurse. Ein sogenannter Bärenmarkt bedeutet, dass die Kurse sinken. Im Gegensatz dazu rechnen die Anleger beim Bullenmarkt damit, dass sich die Geschäfte der an der Börse notierenden Unternehmen gut entwickeln – die Anleger kaufen, und die Kurse steigen.
Fed ist die Abkürzung für Federal Reserve. Damit ist die Zentral- oder Notenbank der USA gemeint.
Geldpolitik: Darunter versteht man alle Maßnahmen eines Staates, die Geldversorgung und Kreditangebote der Banken zu regulieren, um wirtschaftspolitische Zwecke zu erfüllen. Dahinter steht das Ziel, den Wert des Geldes einer Volkswirtschaft stabil zu halten.
Kerninflation: Ein volkswirtschaftliches Konzept, das bestimmte Güter aus der Berechnung der Inflationsrate ausklammert. Dabei handelt es sich meist um die Preisschwankungen für Lebensmittel und Produkte aus dem Energiesektor, die saisonal schwanken, aber deren Preisänderungen nicht auf die Volkswirtschaft selbst zurückzuführen sind.
Leitzinsen: Diese von der Zentralbank eines Landes festgelegten Zinsen geben an, zu welchen Konditionen sich Kreditinstitute bei der Noten- bzw. Zentralbank Geld leihen können. Sie sind ein wichtiges Steuerungsmittel der Geldpolitik.
Seitwärtsbewegung: Von Seitwärtsbewegungen spricht man, wenn sich der Kurs oder die Zinsen weder nach oben noch nach unten bewegen, sondern sich gleichmäßig entwickeln.
Irrtum vorbehalten