Nur die langfristigen Bauzinsen bleiben stabil


Die Strategie der Europäischen Zentralbank auf dem Prüfstand


Das kann sich hören lassen! Unser Zinskommentar als Podcast


Das Wichtigste in Kürze:

  • Die Europäische Zentralbank (EZB) ändert nichts an der aktuellen Niedrigzinspolitik, kündigt aber eine Prüfung ihrer Strategie bis Ende 2020 an.
  • Ex-EZB-Chef Mario Draghi erhält den Verdienstorden der Bundesrepublik, auch wenn Kritiker seine Geldpolitik als desaströs (für Sparer) betrachten.
  • Langfristige Baukredite blieben stabil, alle anderen Kredite mit fünf bis 15-jähriger Zinsbindung verteuerten sich leicht.

Hinweis: Blau = Verlinkte Fachbegriffe im Miniglossar am Ende des Artikels



Heute kann sich Ihr Traum vom Eigenheim erfüllen.





Viele haben darauf gewartet: die erste Zinssitzung der neuen EZB-Präsidentin Christine Lagarde. Würde sie vieles anders machen als ihr Vorgänger Mario Draghi? Kündigt sie Innovationen und massive Veränderungen an? Holt sie gar die Zinsen aus dem Tal der Tränen?


Nix ändert sich bei der Geldpolitik


Die Antwort ist: Nein und ja! Nein, weil sich zumindest nach der ersten Zinssitzung am 23. Januar nicht allzu viel an der Geldpolitik der EZB ändern wird. Den Leitzins belässt Christine Lagarde bei 0,00 Prozent, die Strafzinsen für Banken, die ihr Geld bei der EZB parken, bleiben bei den bisherigen 0,5 Prozent. Auch die monatlichen Anleihenaufkäufe im Wert von 20 Milliarden Euro zur Stützung der Wirtschaft behält die EZB bei.



Lagarde stellt die EZB-Strategie auf den Prüfstand


Die Antwort ist aber auch: ja! Lagarde kündigte auf der Zinssitzung an, dass sie es als ihre Mission ansehe, die Instrumente der EZB neu zu überdenken und zu überprüfen, ob und wie sie weiter vorgehen soll. "Da unsere Volkswirtschaften tiefgreifende Veränderungen durchlaufen, ist es an der Zeit für eine Überprüfung der Strategie, um sicherzustellen, dass wir unser Mandat im besten Interesse der Europäer erfüllen", sagte EZB-Präsidentin Christine Lagarde. Bei der Überprüfung solle auch berücksichtigt werden, inwieweit andere Erwägungen, wie z.B. Finanzstabilität, Beschäftigung und ökologische Nachhaltigkeit, bei der Erfüllung des Mandats der EZB von Bedeutung sein können. Diese neuen Bewertungskriterien hatte Lagarde schon früher erwähnt. Auch hinterfragt sie die Bedeutung der „richtigen“ Kerninflation.

Das Inflationsziel auf der Kippe?


Traditionell sieht sich die EZB als Hüterin der Preisstabilität. Die Preise sollen weder steigen (Inflation), noch stark sinken (Deflation). Ersteres macht Produkte teuer, letzteres hält das Geld für Investitionen zurück, was der Wirtschaft den Schwung nehmen könnte. Bisher galt ein Inflationsziel von knapp unter zwei Prozent als das goldene Maß der EZB. Vielleicht zukünftig nicht mehr? Wobei hier nicht von einer kurzfristigen Zukunft die Rede ist: Die von Lagarde angesprochenen Strategiechecks sollen bis Ende des Jahres dauern.

Verdienstorden für „Super Mario“


Lagardes Vorgänger bei der EZB, der Italiener Mario Draghi, erhielt am 31. Januar einen der höchsten Verdienstorden Deutschlands: das Großkreuz 1. Klasse. Vorgeschlagen wurde er dafür von Außenminister Heiko Maas. Offiziell wird „Super Mario“ damit zum „Retter des Euro“ geschlagen, der die gemeinsame Währung nach der Finanzkrise über Wasser gehalten habe. Draghis zweiter Titel ist nicht so schmeichelhaft. Den haben ihm die Kritiker, insbesondere aus Deutschland, angehängt: Nullzins-Präsident. Draghis Geldpolitik habe, so meinen seine Kritiker, zu einer beispiellosen Geldvernichtung für Sparer geführt. Das billige Geld hat aber gleichzeitig zahlreiche Immobilienkäufer dem Traum vom Eigenheim nähergebracht – auch wenn gleichzeitig die Preise heftig angezogen haben. Nullzinsen fördern die Flucht ins Betongold. Dies fördert den Preisanstieg. Der wiederum wird von billigen Krediten bedient und angeheizt. Das sind Kreisläufe, aus denen Immobilienblasen gemacht werden.

Auswirkungen der jahrelangen Niedrigzinspolitik


Was Mario Draghis jahrelange Geldpolitik gebracht hat, fasste der Berliner Tagesspiegel mit der knackigen Aussage „Sparer verlieren. Käufer profitieren“ zusammen. Deutsche Kreditinstitute übertreffen sich gerade darin, den niedrigsten Zins zu spendieren. Für 10.000 Euro gibt es beispielsweise ganze zehn Cent Zinsen. Gemäß der Comdirekt-Bank lag der Realzins im Jahr 2019 bei minus 1,29 Prozent: Das mache 30,3 Milliarden Euro Miese oder 365 Euro pro Bundesbürger. Versicherungen suchen händeringend nach renditeträchtigen Anlagen, auch Pensionskassen schaffen es kaum noch, ihre Pensionszusagen einzuhalten. Gewinner der Niedrigzinspolitik sind alle, die am Aktienmarkt angelegt haben – und Kreditnehmer. Insbesondere die Baukreditzinsen bleiben niedrig.

ImmobilienScout24-Zinsbarometer: Leichter Anstieg, außer bei den Langfristzinsen


Das Jahr ist noch jung, aber der erste Monat von 2020 bot Kontinuität: Bereits den dritten Monat in Folge stiegen die Bauzinsen. Sehr dezent zwar, aber sie stiegen. Interessanterweise hielten sich ausgerechnet die langfristigen Zinsen stabil (Stand: 25.01.2020). Kurzfristige Darlehen mit einer Zinsbindung von fünf Jahren verteuerten sich um 0,02 Prozentpunkte: Sie liegen zum Stichtag bei 0,60 Prozent. Sogar 0,03 Prozentpunkte ging es mit den zehnjährigen Krediten bergauf. Der Schlusswert: 0,74 Prozent.

15-jährige Darlehen überschritten im Januar die Ein-Prozent-Marke und pendelten sich exakt bei 1,00 Prozent ein. Allein die Darlehen mit der 20-jährigen Zinsbindung bleiben stabil, und zwar bei 1,18 Prozent.



*Hinweis: Bei den Zinsen handelt es sich um Durchschnittswerte der bei ImmobilienScout24 gelisteten Baufinanzierer zum angegebenen Stichtag. Für die Kalkulation wurden folgende Modelldaten verwendet: Angestellter, Darlehenssumme: 200.000 Euro, Beleihungsauslauf: 80 Prozent, Tilgungsrate: 3 Prozent.  


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Miniglossar - wichtige Fachbegriffe in diesem Artikel


Anleihenaufkaufprogramm: Eine geldpolitische Maßnahme der Europäischen Zentralbank. Sie will Banken dazu veranlassen, Darlehen an Unternehmen und Privathaushalte auszugeben, um die Konjunktur anzukurbeln. Zwischen März 2015 und Dezember 2018 kaufte die EZB in großem Umfang europäische Staats- und Unternehmensanleihen. Ab November 2019 soll das Programm wiederaufgenommen werden.

Fed ist die Abkürzung für Federal Reserve. Damit ist die Zentral- oder Notenbank der USA gemeint.

Geldpolitik Darunter versteht man alle Maßnahmen eines Staates, die Geldversorgung und Kreditangebote der Banken zu regulieren, um wirtschaftspolitische Zwecke zu erfüllen. Dahinter steht das Ziel, den Wert des Geldes einer Volkswirtschaft stabil zu halten.

Leitzinsen Diese von der Zentralbank eines Landes festgelegten Zinsen geben an, zu welchen Konditionen sich Kreditinstitute bei der Noten- bzw. Zentralbank Geld leihen können. Sie sind ein wichtiges Steuerungsmittel der Geldpolitik.

Kerninflation: Ein volkswirtschaftliches Konzept, das bestimmte Güter aus der Berechnung der Inflationsrate ausklammert. Dabei handelt es sich meist um die Preisschwankungen für Lebensmittel und Produkte aus dem Energiesektor, die saisonal schwanken, aber deren Preisänderungen nicht auf die Volkswirtschaft selbst zurückzuführen sind.

Rezession: Eine Phase im Konjunkturzyklus (daneben gibt es noch Aufschwung, Boom und Depression). Man spricht üblicherweise von einer Rezession, wenn sich die Wirtschaft in zwei aufeinanderfolgenden Quartalen abschwächt oder zumindest gleichbleibt.

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