Sind die Städte plötzlich out?

Mit Wandel in der Arbeitsweld zu mehr Homeoffice ändern sich auch die Wohnbedürfnisse: Der Trend geht ins Umland. Droht den Städten nun der Preisverfall?



Die großen Städte sind bei Immobilienkaufenden seit jeher beliebt. Sie bieten viel Trubel, quirlige Menschenmassen und viele Begegnungen täglich – und das sind seit der Corona-Pandemie gerade die Gründe, nicht in einer großen Stadt zu wohnen. Doch der Trend zur Stadtflucht besteht schon länger: Insbesondere, wenn der Zwang zum täglichen Erscheinen am Arbeitsort wegfallen würde, könnte dies die Immobiliennachfrage stark verändern.


Gedrängte Innenstadt von oben

Von zuhause aus arbeiten


Das Homeoffice ist der Küchentisch. Oder das Wohnzimmer. So oder so ähnlich sah es in den letzten Wochen und Monaten bei Arbeitnehmenden aus, die aufgrund von Quarantäne, Kurzarbeit oder schlicht Vorsichtsmaßnahmen zum Arbeiten nach Hause geschickt wurden. Hier sahen sie sich plötzlich damit ganz real konfrontiert, was seit Jahrzehnten als Work-Life-Balance beschrieben wird: Wie trennt man Arbeits- und Privatleben richtig? Die Zwangsverpflichtung zum Zuhausebleiben führte auch dazu, dass die eigenen vier Wände erheblich kritischer gesehen werden: Der fehlende Garten, der nicht vorhandene Balkon wurden bislang stumm akzeptiert. Jetzt werden sie zum unverzichtbaren Bestandteil der häuslichen Zufriedenheit erklärt.

Das merken auch Maklerinnen und Makler und Verkaufende. "Im Zuge von Corona analysieren die Interessenten das Immobilienangebot auf die Nutzbarkeit von Homeoffice hin", erklärt Stephan Kippes, der Mitte Juli den Immobilienbericht des Immobilienverbandes IVD für das Münchner Umland vorstellte. München und das Umland böten allerdings einen ungebrochenen Preisauftrieb, sodass sich die wenigsten einen schnellen Umzug tatsächlich leisten könnten.




Du möchtest eine Immobilie kaufen?

Wir helfen dir dabei, dich von der Konkurrenz abzusetzen!

Jetzt loslegen


Verkehrsanbindung muss stimmen


Sollte sich herausstellen, dass das Homeoffice zukünftig immer wichtiger wird, könnte dies langfristig die Nachfrage nach Wohnungen und Häusern verändern. Das ist das Ergebnis einer vom Immobiliendienstleister JLL erarbeiteten Studie mit dem Namen "Veränderte Arbeitsmarktwelt". Hier werde vor allem das Umland großer und teurer Städte profitieren – zumindest, wenn die Verkehrsanbindung stimmt. Im Speckgürtel seien mehr Zimmer, deshalb auch ein eigenes Homeoffice und ein besseres Wohnumfeld mit Balkon oder Garten möglich.

Allerdings gilt: "Ob es tatsächlich zu einer deutlichen Verlagerung gegenüber Vor-Corona-Zeiten kommt, hängt von vielen Faktoren ab und ist derzeit noch völlig offen“, bremst Konstantin Kortmann von JLL die Annahme, dass sich die Wohnbedürfnisse schlagartig ändern werden. Unter anderem das Preisgefälle zwischen Stadt und Umland führe zu einem verstärkten Druck, in die Peripherie zu wandern. In München liegt die Differenz zum Umland bei durchschnittlich 1.976 Euro pro Quadratmeter: Da lohnt es sich schon, über einen Wegzug nachzudenken. In Städten wie Dortmund oder Stuttgart ist die Wohnkostenbelastung zwar hoch, aber im Umland eben auch. Entsprechend ist der Impuls, aus der Kernstadt wegzuziehen, eher gering.




Kein neuer Trend


Der Trend, aus der Großstadt ins Umland zu ziehen sei überhaupt nicht neu, erklärt Brigitte Adam vom Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung. Diese sogenannte "Suburbanisierung" fand bis in die 1990er-Jahre statt. Schlicht, weil es draußen vor den Toren der Stadt mehr Platz zu attraktiveren Preisen gab. Zur Jahrtausendwende begann der gegenläufige Trend, in die Städte zu ziehen. Das führte dann aber zu Verdrängungswettbewerben: Junge Leute zogen in die Stadt, Familien, die mehr Raum benötigten, mussten ins Umland weichen. "Entsprechend hängt die Entscheidung zwischen Vorstadt und Innenstadt viel von der Lebensphase ab, in der man sich befindet", weiß Claudius Schaufler, Teamleiter für Smart Urban Environments beim Fraunhofer-Institut für Arbeitswirtschaft und Organisation. Das Coronavirus könnte den Trend wie ein Brennglas beschleunigen. Der treibende Grund ist es aber nicht.





Wie gefällt Ihnen diese Seite?
/5
seit 26.02.2019
Bewerten Sie diese Seite Vielen Dank

Diese Artikel könnten Sie auch interessieren