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Ertragswertverfahren
Definition, Ermittlung & Rechenbeispiel
Bei vermieteten Immobilien steht für den Käufer nicht der Sachwert im Mittelpunkt, sondern die Frage, welchen Ertrag er über wie viele Jahre erzielen kann. Das Ertragswertverfahren dient genau diesem Zweck: Es ermittelt anhand von bestimmten Daten den Ertragswert einer Immobilie.
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Ertragswertverfahren: Bestandteile der Berechnung
Das Ertragswertverfahren eignet sich zur Bewertung von Objekten mit Mietertrag.
Der gesamte Ertragswert einer Immobilie ergibt sich aus der Addition des Bodenwertes und des Gebäudeertragswertes. Während der Wert des Bodens gleichbleibend ist, spielt die Restnutzungsdauer des Gebäudes in der Wertermittlung eine wichtige Rolle. Denn sie beeinflusst den Vervielfältiger, der in der Berechnung mit dem Gebäudereinertrag multipliziert wird. Das daraus resultierende Ergebnis stellt den reinen Gebäudeertragswert dar.
1. Faktor: Bodenwert
Die Grundlage der Berechnung im Ertragswertverfahren ist der Bodenwert: der Wert des Grundstücks oder Grundstücksanteils. Er errechnet sich aus dem Bodenrichtwert pro Quadratmeter, den der Gutachterausschuss mitteilt, und der Grundstücksfläche.
2. Faktor: Liegenschaftszinssatz
Der Liegenschaftszinssatz benennt den Prozentsatz, mit dem Immobilienvermögen marktüblich verzinst werden. Beim Ertragswertverfahren wird ausschließlich der Bodenwert verzinst. Warum nicht das gesamte Objekt? Weil ein Gebäude sich abnutzt, Erträge also nur eine bestimmte Zeit zu erzielen sind, Grundstücke aber davon unabhängig einen Wert darstellen. Ein häufig genannter Richtwert bei Wohnobjekten ist fünf Prozent.
3. Faktor: Mieteinnahmen und Bewirtschaftungskosten
Eine wichtige Angabe für jeden Vermieter ist der Rohertrag – die Jahresmiete, die mit dem Objekt erzielt wird. Maßgeblich ist hierfür die marktübliche Miete, nicht unbedingt die tatsächlich gezahlte. So mindert es den Rohertrag nicht, wenn eine Wohnung über einen längeren Zeitraum nicht vermietet worden ist. Die Bewirtschaftungskosten werden von dem Rohertrag subtrahiert. Das sind zum Beispiel Kosten für Verwaltung, Betrieb und Instandhaltung, die nicht auf die Miete umgelegt werden können. Das Ergebnis dieser Subtraktion ist der Reinertrag.
4. Faktor: Vervielfältiger
Hinter diesem Begriff verbirgt sich die zentrale Größe, mit deren Hilfe im Ertragswertverfahren der Ertragswert eines Objekts ohne den Bodenwert errechnet wird. Der Vervielfältiger errechnet sich über eine Formel aus dem Liegenschaftszinssatz und der Restnutzungsdauer:
V = (qn-1) / (qn x i)
V=Vervielfältiger q=i+1 n=Restnutzungsdauer i=Liegenschaftszins
Je länger die Restnutzungsdauer eines Gebäudes ist, desto höher ist auch der Wert des Vervielfältigers. Bei einem Liegenschaftszinssatz von fünf Prozent und einer Restnutzungsdauer von 40 Jahren beträgt der Wert des Vervielfältigers 17,16. Steigt die Restnutzungsdauer beispielsweise auf 60 Jahre, erhöht sich jener Wert auf 18,93.
5. Faktor: bauliche Umstände
Im Ertragswertverfahren sind wertbeeinflussende Umstände, wie beispielsweise aufgeschobene, aber dringende Sanierungsarbeiten, ein weiterer Faktor in der Berechnung des gesamten Ertragswertes einer Immobilie. Ob die jeweils gegebenen Umstände wertsteigernd oder wertmindernd sind, liegt in der Entscheidung eines Gutachters. Tritt im Ertragswertverfahren zum Beispiel ein extrem wertmindernder Umstand (dringend notwendige Sanierung des Dachstuhls) auf, kann sich dies auch fatal auf den finalen Ertragswert auswirken. Besonders dann, wenn ein Eigentümer einer Immobilie sein Objekt an einen Investor verkaufen möchte, kann ein solcher Umstand ein Verkaufsgeschäft scheitern lassen.
Ertragswertverfahren: Beispiel einer Berechnung
Formel für Ertragswertverfahren
Rohertrag* - Bewirtschaftungskosten = Reinertrag
Reinertrag - Bodenwertverzinsung** = Gebäudereinertrag
Gebäudereinertrag x Vervielfältiger = Gebäudeertragswert
Gebäudeertragswert + Bodenwert = vorläufiger Ertragswert
vorläufiger Ertragswert +/- bauliche Umstände = endgültiger Ertragswert
Beispielrechnung für das Ertragswertverfahren
Wohnfläche 522 m²
Quadratmeterpreis 6€
Roherstrag* 37.584 €
- Bewirtschaftungskosten 9.396 €
= Reinertrag des Grundstücks 28.188 €
- Bodenwertverzinsung** 4.400 €
= Gebäudereinertrag 23.788 €
x Vervielfältiger 18,26
= Gebäudeertragswert 434.369 €
+ Bodenwert*** 88.000 €
= vorläufiger Ertragswert 522.369 €
- Wertbeeinflussende Umstände 33.000 €
= endgültiger Ertragswert 489.369 €
*Rohertrag (pro Jahr): Wohnfläche (m²) x Quadratmeterpreis (€) x 12 Monate
** Bodenwertverzinsung: Bodenwert x Liegenschaftszins (hier: 5%)
*** Bodenwert: Bodenrichtwert (€) x Grundstücksgröße (m2)
Vor- und Nachteile des Ertragswertverfahrens
- Der durch das Ertragswertverfahren ermittelte Ertragswert ist stark abhängig vom Liegenschaftszins. Zu seiner Berechnung stehen aber nicht immer ausreichend Daten zur Verfügung.
- In Zeiten stark steigender Mieten kann der tatsächliche Ertragswert höher liegen als der errechnete, weil der Rohertrag immer nur die Vergangenheit abbildet.